Sinnliches Erwachen
werd gar nicht weiter drüber nachdenken, was es mit dieser kleinen Stimmungsschwankung auf sich hat. Ich meine, in der einen Sekunde rede ich mit meiner großen Schwester, und in der nächsten starrt mich eine Serienmörderin an.“
Komm runter. Beruhig dich einfach. Schon jetzt hämmerte ihr Herz in einem unregelmäßigen Takt, und wenn sie nicht aufpasste, würde sie umkippen. Oder, schlimmer noch, das Dämonengift verstärken. Und eigentlich war es auch lächerlich. Sie regte sich wegen gar nichts auf. Koldo war nicht der Typ, der seine Freundin betrog. Er war der Typ, der einem klipp und klar sagte, dass er fertig mit einem war.
„Das ist die Schwester, die ich kenne und liebe“, lobte Laila. „Also … um mal wieder zum Thema zurückzukommen. Du hast ein Date mit einem Kollegen zugesagt.“
„Ja. Und ich würde mich riesig freuen, wenn ich ihn noch mal anrufen und auch für dich zusagen kann. Der andere Typ heißt Blaine, und er ist …“
„Kannst aufhören. Der Rest ist mir egal. Ich bin dabei!“
Nach Lailas letzter desaströser Beziehung hatte Nicola mit etwas mehr Gegenwehr gerechnet. „Wirklich?“
„Wirklich. Ich bin mir nicht sicher, wie lange ich noch zu leben habe, also klar, ich nehm alles mit, was ich kriegen kann.“
„Das schließt hoffentlich auch ein, dass du dir anhörst, was Koldo zu sagen hat.“
Laila streckte ihr die Zunge raus. „Abwarten. Also, was musste dieser Kerl bei dir im Büro anstellen, damit du Ja sagst? Männer waren doch für dich bisher quasi unsichtbar.“
„Waren sie nicht. Ich wollte mich bloß nicht mit den ganzen Komplikationen rumschlagen.“ Und okay, ja, dieses Argument war ein bisschen dünn, wenn man bedachte, dass Koldo mehr Komplikationen mit sich brachte als die meisten anderen.
Ein Jogger in blauer Sporthose und mit freiem Oberkörper grinste Laila zu, als er an ihr vorbeilief. „Hey, Schönheit.“
„Hey.“ Sie erwiderte das Grinsen und winkte ihm sogar, woraufhin er langsamer wurde und schließlich stehen blieb, offenbar entschlossen, zu ihr zurückzukommen. Laila ersparte ihm die Mühe und überbrückte die Distanz.
Seufzend trat Nicola an den Wegesrand, um zu warten. Noch fünf Minuten, dann müsste sie zurück ins Büro.
Sie wich einem Mann aus, der seinen Hund spazieren führte, und …
Erblickte einen glatt rasierten Koldo?
Nein, nicht Koldo, erkannte sie enttäuscht. Ein paar Meter entfernt stand ein Mann mit dem gleichen Körperbau wie Koldo, mit ebenso kahlem Kopf und kantigen Zügen, die den seinen auf fast unheimliche Weise glichen. Dieser Mann trug ein schwarzes T-Shirt und eine schwarze Lederhose, beides saß wie angegossen. Er war vielleicht zehn oder zwanzig Jahre älter als Koldo, mit ein paar mehr Falten um Augen und Mund. Gut aussehend war er schon, aber ihm fehlte dieser sexy perlengeschmückte Bart.
Die beiden mussten einfach verwandt sein. Auf keinen Fall konnten zwei Männer sich so ähnlich sehen, ohne aus derselben Familie zu stammen.
Freudig winkte sie ihm zu, nur um zu erstarren, als er im nächsten Augenblick die Hand hob, um … eine Schlange zu streicheln. Eine riesige Schlange, unter deren abstoßenden grünen Schuppen hier und da Fell hervorwuchs und die auf dem Kopf ein Geweih trug, wie man es sonst nur bei Hirschen sah. Der Rest des Leibs derKreatur war um den Oberkörper des Mannes geschlungen, und die Schwanzspitze rasselte bedrohlich. Die Augen des Wesens waren rubinrot – und beobachteten sie ganz genau.
Das war keine Schlange. Dieses Ding konnte keine Schlange sein. Ein … Dämon?
Etwas Böses hing in der Luft, ein Hauch von Schwefel. Oh ja. Ein Dämon. Und Dämonen machten Menschen krank, hatte Koldo gesagt – und vermutlich taten sie noch Tausende anderer Dinge, mit denen sie nichts zu tun haben wollte.
Auf keinen Fall war dieser Mann irgendeine Art Himmelsgesandter.
„Laila“, rief sie mit hohler Stimme.
„Moment noch“, antwortete ihre Schwester. „Ich lerne gerade eine sehr wichtige Nummer auswendig.“
Der Jogger lachte leise.
Grinsend sah der Kahlköpfige Nicola an, doch es war kein freundliches Grinsen. Mit einem Blick so finster wie die Nacht musterte er sie von oben bis unten und weckte Erinnerungen an den lüstern starrenden Mr Ritter. Ihr Herz, durch die Schokolade sowieso schon aufgedreht, verfiel in einen unregelmäßigen Galopp.
Nicola stürmte vor und packte ihre Schwester bei der Hand, zog sie ein paar Schritte rückwärts. „Komm schon. Wir müssen hier
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