Sinnliches Versprechen auf Sizilien
miteinander reden können.“
Ein Schauer überlief Marina, es schien ihr, als wäre ihr ein Regentropfen zwischen Kragen und Hals geraten und würde ihr nun über den Rücken rinnen.
„Das sagt mir gar nichts.“
„Du erfährst es, wenn wir am Ziel sind. Bis dahin entspann dich, und genieß die Fahrt.“
„Ich bin aber alles andere als entspannt.“
Wieder lachte Pietro nur, doch diesmal so herzlich, dass sie ihm nicht böse sein konnte.
„Und jetzt keine Fragen mehr“, bestimmte er. „Du wirst es schnell genug erfahren.“
„Mit anderen Worten: Halt den Mund, und tu, was ich dir sage. Na gut, mir soll’s recht sein. Ich sage kein Wort mehr, bis ich weiß, wohin wir fahren.“
Sein zufriedenes Lächeln hätte sie fast veranlasst aufzubegehren, als sie merkte, in welche Richtung sie fuhren. Pietro hielt auf die Küste zu, wie Marina bewusst wurde. Ihr Herz begann schneller zu pochen, weil sie fürchtete, er wollte sie zum Castello d’Inzeo bringen, dem mächtigen Schloss aus dem siebzehnten Jahrhundert inmitten von Weinbergen und Olivenhainen, in dem seine Familie seit Generationen lebte.
Dorthin hatte er sie vor nicht einmal drei Jahren als seine Braut über die Schwelle getragen.
Marina hielt es nicht mehr aus. So grausam konnte Pietro unmöglich sein … sie an den Ort zurückzubringen, wo sie einst so glücklich gewesen war und die wenigen Monate ihrer leidenschaftlichen Beziehung mit ihm verbracht hatte.
Oder besser gesagt, an den Ort, an dem sie geglaubt hatte, glücklich zu sein. Sie war davon überzeugt gewesen, geliebt zu werden – und war dann grausam enttäuscht worden. Die Wirklichkeit hatte ihre Träume, in denen sie sich naiv und vertrauensvoll gewiegt hatte, brutal zerplatzen lassen.
Inzwischen hatten sie die Stadt hinter sich zurückgelassen und brausten die Küstenstraße entlang, wo sich das tiefblaue Tyrrhenische Meer vor ihnen ausbreitete. Ihr Herz schlug schneller, denn Marina dachte daran, wie sie hier beim ersten Mal verzückt aufgeschrien hatte, nachdem hinter einer Biegung unvermittelt das azurblaue, in der Sonne glitzernde Mittelmeer aufgetaucht war. Für sie war es damals symbolisch für die märchenhafte, strahlende Zukunft gewesen, die vor ihr lag.
Nun musste Marina sich eingestehen, dass sie sich auch damals Illusionen hingegeben hatte. Ihre unerwartete Rückkehr in den Palazzo einen Tag vor ihrer geplanten Rückkehr aus England hatte ihr brutal die Augen geöffnet. Entschlossen, von nun an vieles anders zu machen, und voller Vorfreude auf das Wiedersehen mit Pietro, war sie nach Hause geeilt, um ihm einen neuen Anfang vorzuschlagen.
Doch dann hatte sie feststellen müssen, dass er gar nicht da war. Er müsste eine „wichtige Geschäftsreise“ antreten, hatte er sie in einer kurzen Mitteilung wissen lassen, voraussichtlich würde er mindestens zehn Tage fortbleiben. Es wäre gut, wenn sie die Zeit nutzen würde, um über die Zukunft ihrer Ehe nachzudenken – soweit es für sie überhaupt noch eine Zukunft gäbe.
Marina hatte nicht zehn Tage lang darüber nachdenken müssen. Sie hatte auf dem Absatz kehrtgemacht, weil ihr übel geworden war. Wie gehetzt war sie zu ihrem Wagen geflohen und die breite, gewundene Auffahrt hinuntergebraust, als wären alle Höllenhunde hinter ihr her. Erst am Flughafen hatte sie haltgemacht und die nächste Maschine nach London genommen. Sie war nur noch von einem Gedanken beherrscht gewesen: Sie musste fliehen und würde erst wieder Ruhe finden, wenn sie Hunderte Kilometer von ihrem gleichgültigen, lieblosen Ehemann entfernt war.
Danach war sie nie mehr in den Palazzo zurückgekehrt und hatte sich jeden Gedanken daran verboten.
Bei der bloßen Vorstellung, dass Pietro sie zu ihrer „gemütlichen Aussprache unter vier Augen“ in den Palazzo bringen würde, verspürte sie einen bitteren Geschmack im Mund und fürchtete, ihr könnte erneut übel werden.
„Bitte, Pietro …“, brachte sie nur gequält hervor.
Zur Linken wurde die Ausfahrt zum Palazzo sichtbar, und Marina verkrampfte sich. Doch Pietro fuhr geradeaus weiter und blickte starr auf die Straße.
Erleichterung durchflutete sie, aufatmend sank Marina auf dem Beifahrersitz zurück.
Also brachte Pietro sie doch nicht zum Palazzo! Aber wohin dann?
Sie sollte es schneller erfahren, als ihr lieb war. Als die Straße stark bis zum höchsten Punkt anstieg und auf einer Seite die Klippen steil ins Meer abfielen, verlangsamte Pietro das Tempo und folgte einer ausgefahrenen
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