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Sintflut (German Edition)

Sintflut (German Edition)

Titel: Sintflut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Schulze
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niemand, der mir was hätte schicken wollen, aber so war eben das Spiel und überhaupt konnte man nie wissen.
    »Auf der gegenüberliegenden Seite ist noch eine Tür«, sagt der Bote. Ich drehe mich, mache sie auf und stehe in einem Gang. Der Gang führt zu einer Treppe, die Treppe führt zum Hauptausgang. Auf dem Parkplatz davor wartet ein verbeultes blaues Auto. Wir steigen ein und fahren sofort los.
    »Du bist Marlene«, sagt der Bote, als wir an einer roten Ampel halten. »Ich bin Akan Ionescu. Vor einigen Wochen lernte ich Paula kennen, die dich grüßen lässt. Es geht ihr gut und du sollst dir keine Sorgen machen. Ich bin hier, um dich abzuholen und zu ihr zu bringen. Wir müssen sofort aus Bukarest verschwinden.«
    Da er Paulas Bote ist, lasse ich das erstmal auf sich beruhen. Aber warum muss ich von dem Kongress weg, für den ich so lange geübt habe und zu dem Paula mich gebeten hat? Es ist jetzt ein Punkt erreicht, an dem ich gerne wüsste, was das alles soll.
    »Wohin fahren wir?«, frage ich deshalb.
    »Zu deinem Hotel. Du packst und ich bringe dich weg.«
    Mehr kommt nicht. Ich schaue mir Paulas Boten von der Seite an. Er sieht gut aus. Mitte vierzig, athletischer Typ, kein Gramm Fett, schöne Hände, gerade Haltung, klassisch-schönes Gesicht, elegante Nase, interessanter Mund, hohe Stirn, energisches Kinn, gewelltes braunes Haar, attraktives Faltenbild. Selbstbewusst, konzentriert, kann sich durchsetzen. Wie ein römischer Feldherr, der in den Kolonien des Kaisers nach dem Rechten schaut. Ein wenig unterfordert vielleicht, aber stolz auf seine Erfolge. Kommt langsam in die Jahre, sieht alles mit mehr Distanz und Ruhe, auch sich selbst kritisch, aber nicht allzu sehr.
    Akan bezahlt meine Rechnung, ich packe. Nach einer halben Stunde sitzen wir wieder im Auto, aber er fährt noch nicht los. Wo Paula ist? Das erklärt er mir später. Wo wir jetzt hinfahren? Nach Konstanza. Ob ich Paula da treffe? Ich soll mich gedulden. Warum er so gut deutsch spricht? Weil er in Deutschland Nachrichtentechnik studiert hat. Wann er zurückgekehrt ist? Erst 1986, vorher sei er einige Jahre in Übersee gewesen. Wäre Übersee nicht ein sehr weitläufiger Begriff? Karibik, wenn ich es schon so genau wissen wolle. Wenn das genau sei, ob er dann eigentlich den Weg nach Konstanza finden könne? Da er mir jetzt gar keine Antwort mehr gibt, bin ich auch eine Weile ruhig. Dann mache ich einen zweiten Versuch: Wieso an der Rezeption vom Hanul Manuc alle sagen sollen, ich sei ins Interconti gezogen, wenn jemand nach mir fragt? Weil das besser so ist. Und wieso die Angestellten alle für ihn lügen? Weil der Chef des Hanul Manuc ihm noch einen Gefallen schuldet.
    Wenn ich nur Antworten bekomme, die eigentlich keine sind, kann ich sie mir auch selber geben: Warum betreten jetzt Anna Lenz und Martin Fleischmann das Hotel? Weil ich Anna im Flugzeug davon erzählt habe. Und warum kommen ein paar Minuten später die anderen Journalisten nach? Weil sie Anna und Fleischmann gefolgt sein müssen. Akan und ich parken noch immer im Schatten einer Hauswand vor dem Hotel und beob-achten den Eingang. Niemand bemerkt uns.
     
    Fleischmann und Anna haben sich also zusammengetan. Ein ungleiches Paar, und normalerweise hätte sie einen Mann wie ihn völlig ignoriert. Warum verbündet sie sich mit ihm? Es verschafft ihr mittelfristig einen Vorsprung, denke ich mir. Fleischmann kann beurteilen, was Paula tut, und wenn einer sie finden kann, dann er. Anna wird alles tun, um ihren Fehler im Flugzeug wieder gut zu machen. Und Fleischmann wird alles tun, um für Anna unentbehrlich zu werden. Ob er mich schon verraten hat? Ob sie schon weiß, dass das mit der Hausfrau doch gestimmt hat, zumindest so halbwegs?
    Als vor dem Hoteleingang alles ruhig ist, fahren Akan und ich Richtung Konstanza davon. Nach einer halben Stunde haben wir Bukarest hinter uns gelassen und fahren auf einer schnurgeraden Allee in die Dämmerung hinein. Dann biegen wir auf eine Nebenstrecke ab. Um mögliche Verfolger abzuschütteln, sagt Akan ungefragt. Er taut also langsam auf. Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, wer uns verfolgen sollte, lasse ich ihn machen. Er wird seine Gründe haben. Osteuropäer fühlen sich oft verfolgt, während Westeuropäer chronisch leichtsinnig sind, weil sie schon seit Generationen in Frieden und Sicherheit leben.
    Die neue Straße ist voller Schlaglöcher und praktisch unpassierbar. Jetzt ist der rechte Vorderreifen platt und das Ersatzrad, das Akan

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