Sintflut (German Edition)
aus dem Kofferraum holt, auch. Wir stehen neben einem Maisfeld. Hier kennt er niemanden, der ihm einen Gefallen schuldet. Hier, das ist mitten in der Walachei und es sieht ganz nach einer Nacht auf dem Beifahrersitz aus.
»Die Walachei«, lacht Akan, als ich meine Befürchtungen ausspreche. »So heißt diese Gegend übrigens wirklich. Hier ist der Ursprung eurer Redensart.«
Na meinetwegen. Aber das nützt jetzt auch nichts. Ich bin müde und habe Heimweh. Gegen das Heimweh hilft Bewegung, gegen die Müdigkeit vielleicht auch. Also steige ich aus und vertrete mir die Beine. Akan kommt mit und wir gehen ein Stück die Straße hinunter. Bald kommt eine alte Holzbrücke in Sicht. Wir bleiben darauf stehen und betrachten im letzten Tageslicht den Fluss. Auf einer Sandbank unter uns stehen Kühe, Pferde, Gänse und Enten durcheinander, einen Zaun gibt es nicht. Der Fluss ist von Schilf umgeben, von alten Weiden und anderen Bäumen. Eine frische Brise streift die Blätter einer Pappel, für mich gibt es in der Natur kein schöneres Geräusch. Auch Akan entspannt sich und erzählt von Paula, schon wieder ungefragt.
»Paula wollte diesen ganzen Wirbel nicht. Im Gegenteil. Die Journalisten gefährden ihr Projekt. Einer von ihnen, Hans Dietzendorf, ist schon ganz nahe an ihr dran. Aber er ist zum Glück ein Einzelgänger und versucht deshalb immer, die anderen abzuhängen. Doch früher oder später werden sie ihn aufspüren. Ihn oder Paula, das ist dann praktisch kein Unterschied mehr.«
Hans Dietzendorf. Dann ist er also wirklich gleich nach unserem Gespräch in Erlangen zurück nach Rumänien gefahren. Und ich hatte noch gedacht, er wollte vor allem Max einen Gefallen tun und mich davon abhalten, hierher zu kommen. Wie merkwürdig: Dietzendorf kennt nicht nur Max, sondern auch Paula. Und das schon, bevor er extra aus Berlin anreiste. Gut, die großen Rätsel dieser Welt sind sein Spezialgebiet, also stieß er auf die Hamangia-Kultur. Aber woher wusste Max davon? Hatten sie regelmäßig Kontakt? Max ist in Bezug auf solche Dinge normalerweise äußerst geschwätzig. Er füllt Abende mit Erzählungen über Leute, mit denen er tagsüber zu tun hatte. Und einen Freund, der nach geheimnisvollen alten Zivilisationen sucht, hätte er mir bestimmt nicht vorenthalten.
Vielleicht war es so: Max und er telefonieren zufällig, irgendwann fällt das Stichwort Hamangia. Max denkt sich sofort, das Dietzendorf hinter Paula her ist, die seit Jahren kein anderes Thema hat. Als ich beschließe, nach Rumänien zu fahren, fällt ihm das wieder ein und er ruft seinen alten Freund an. Der ist interessiert und darf gleichzeitig einen Versuch starten, mich von der Reise abzuhalten.
Wie sagte Dietzendorf noch, als er das Polaroidbild gesehen hatte? Er habe Paula unterschätzt und an der falschen Stelle gesucht. Damals hatte ich andere Sorgen, aber jetzt frage ich mich: wieso unterschätzt? Wieso falsche Stelle? Brachte ihn erst mein Foto auf die richtige Spur oder hätte er auch so darauf kommen können, wo sie ist? Ich will mit Akan darüber reden, doch etwas hält mich davon ab. Also frage ich nur: »Und wie soll es jetzt weitergehen?«
»Lass uns erst mal in Konstanza sein. Dann werden wir sehen«, murmelt Akan. Das mit dem römischen Feldherrn nehme ich zurück. Feldherren murmeln nicht.
»Du hast mich aus meinem Hotel gelockt, nur um mir jetzt zu sagen, dass du keinen Plan hast? Ich bin hier, weil Paula mir geschrieben hat, sie stecke in Schwierigkeiten und brauche meine Hilfe. Stattdessen schickt sie mir jemand, der mich durch die Gegend kutschiert.«
»Ich weiß, worum Paula dich gebeten hat«, antwortet Akan unbehaglich. »Ich habe den Brief sogar zur Post gebracht. Seit Wochen arbeite ich daran, dass alles glatt läuft. Sie ist wirklich in Schwierigkeiten, nur in anderen, als du vielleicht denkst. Ihr Projekt ist gefährdet und droht zu scheitern.«
Im Moment ist mir das alles herzlich egal. Ich komme mir einfach nur blöd vor und gehe zum Auto zurück, Akan kommt einige Minuten später nach. Dann nähert sich ein Bauer mit seinem Pferdewagen, der Richtung Brücke unterwegs ist. Er beobachtet uns, grinst, hält an und sagt etwas auf Rumänisch, Akan antwortet und so geht es eine Weile hin und her. Schließlich steigt der Mann ab, schlurft zur Ladefläche und bringt eine Flasche Rotwein, eine Wassermelone und ein Brot zum Vorschein. Akan gibt ihm ein paar Scheine und der Alte fährt langsam davon.
»Der Wein ist von seinem
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