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Sintflut (German Edition)

Sintflut (German Edition)

Titel: Sintflut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Schulze
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seinem Ende wartet ein hell erleuchteter Saal. Ich höre Stimmen. Besteck klappert auf Tellern. Es riecht nach gegrilltem Fleisch. Ein bisschen angebrannt vielleicht, aber sehr verlockend. Das muss das Hotelrestaurant sein. Ich nähere mich dem Eingang und male mir aus, was ich alles essen könnte.
     

15
     
    Die großen Flügeltüren des Speisesaals stehen weit offen. Unmöglich, nicht zu erkennen, wer da alles sitzt. Als Ersten sehe ich Helmut Elchtaler von Open End . Er plaudert mit Hanno Püschel, der die Sendung Archäologie für alle produziert und der Paula vor längerer Zeit mal interviewt hat. Am Nachbartisch sitzt die Frau, die auf dem Kongress mit Anna vor dem Bücherregal stand. Und da ist Fleischmann. Sein Gegenüber kann ich von meinem Platz aus nicht sehen, aber da muss jemand sein, da er ab und zu den Mund bewegt und sich zu unterhalten scheint. Wahrscheinlich Anna. Wie lange wird sie ihn noch ertragen, jetzt wo sie merkt, sie ist den anderen keinen Schritt voraus? Und Fleischmann versteht die Welt nicht mehr. So wie ich. Wieso sitzt er nicht alleine hier? Woher wissen die anderen, dass ich in dieses Hotel kommen soll?
    Ganz hinten im Saal sitzt ein dicker Mann. Nicht traurig, nicht alt, nicht einsam, sondern erregt wie ein Kind, das wild gestikulierend einem anderen, ebenso aufgeregten Kind gegenüber sitzt. Das eine Kind heißt Birgul, das andere Kind heißt Akan, und in diesem Moment könnte ich beide erwürgen.
    Da fahre ich durch die Gegend und hier warten sie schon alle, sitzen gemütlich bei einem Glas Bier und einer warmen Mahlzeit. Wie lange sind die schon da? Paulas Plan, alle von sich abzulenken, ist gründlich gescheitert. Ob sie das weiß? Vielleicht ist sie ja auch hier. Das würde die Sache abrunden.
    Ich verlasse das Hotel so unbemerkt, wie ich gekommen bin und laufe zum Auto zurück. Ohne nachzudenken, wohin es nun gehen soll, fahre ich los. Als mir nach einigen Kilometern der erste Lastwagen ohne Licht begegnet, fallen mir Birguls Worte ein. Doch ich fahre weiter. Ich scheiß auf Birgul. Eine Frau wie ich fährt auch in Rumänien bei Dunkelheit Auto.
    Ich werde mir ein Hotel suchen, wo kein Wasser von der Decke tropft, die Fenster nicht von innen zugenagelt sind und wo mich vor allem niemand kennt. Und dann werde ich weiter sehen. Suceava ist die nächste größere Stadt. Dorthin werde ich fahren. Mein Reiseführer nennt das Hotel Bicom an erster Stelle. Ich rufe an und reserviere ein Zimmer, man spricht englisch. Als ich in Suceava ankomme, kann ich das Hotel nicht finden und rufe erneut an. Der Chef holt mich persönlich an einer Tankstelle ab. Er ist ein freundlicher Mann mit glänzender Nase und rotem Gesicht. In seinem Hotel ist es sehr sauber und ich habe bis heute nicht gewusst, wieviel mir das bedeutet. »Very good hotel«, lobe ich, als er mir mein Zimmer zeigt.
    Mein Zimmer hat einen Balkon und ich stehe noch lange da, rauche, trinke Bier, esse belegte Brötchen aus dem Hotelrestaurant, lausche den Geräuschen der Stadt und blicke über die Dächer in die weite Ebene hinunter, aus der sich Suceava erhebt. Ich sollte jetzt ratlos, traurig, wütend, frustriert oder verzweifelt sein. Vielleicht bin ich das alles auch und merke es nur nicht. Was sich stattdessen bemerkbar macht, ist eine Art Schadenfreude. Sollen doch die anderen zur Abwechslung mal nicht wissen, was Sache ist. Wo bleibt sie nur? Ist ihr was passiert? Hatte sie einen Unfall? Wo können wir sie finden? Das sollen sich alle fragen, während ich hier sehr gut aufgehoben bin. Sogar Paula, die mir das Ganze eingebrockt hat. Und Max. Ohne nachzuschauen, ob er sich inzwischen gemeldet hat, lasse ich mich ins Bett fallen, starre noch lange an die Decke und sehe zu, wie der Schatten eines Baumes vor dem Fenster dort oben seine Muster bildet.
     

16
    Angenommen, ich wäre Paula und hätte das achte Weltwunder entdeckt: Die Presse ist hinter mir her, aber ich will noch nicht an die Öffentlichkeit. Ich bitte meine Schwester Marlene, die mir ähnlich sieht, die Meute von meiner Spur abzulenken, aber der Plan funktioniert nicht. Ein Journalist kommt ums Leben. War es ein Unfall? Wurde er ermordet? Eine Journalistin tut sich mit meinem Kollegen Fleischmann zusammen, der mich ebenfalls sucht. Was hat ihn bewogen, das ausgerechnet jetzt zu tun? Auch Marlene sucht mich, aber da sie untergetaucht ist, habe ich keine Informationen über sie. Was soll jetzt mit ihr geschehen? Das Ablenkungsmanöver ist fehlgeschlagen, es gibt

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