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Sintflut (German Edition)

Sintflut (German Edition)

Titel: Sintflut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Schulze
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versuche, Paula zu erreichen, aber es funktioniert nicht. Halb und halb will ich Birgul um Rat fragen, dann lasse ich es doch. Halb und halb will ich Max um Rat fragen, aber als ich mich dazu durchringe, ist sein Telefon abgeschaltet. Ich rufe kurzerhand im Büro an. In der Zentrale, da kennt niemand meine Stimme. Ich will nicht, dass getuschelt wird. Max Adler, heißt es dort, sei in den Ferien und in zwei Wochen wieder da. Anrufer könnten sich in jeder Frage an Jutta Bandelow wenden, seine Assistentin. Ich danke und lege auf. Alles wie abgemacht. Nur ich kann Max erreichen. Und Jutta, wenn es wirklich wichtig ist. Aber sie hat wahrscheinlich auch kein Glück. Oder doch? Noch bin ich nicht zermürbt genug, um sie zu fragen, ob Max bei ihr angerufen hat. Oder etwa in der Abteilung nachzuforschen, ob Gültschen Kemal-Zürgüli zufällig auch gerade Ferien macht. Das ist unter meiner Würde. Aber wer weiß, wie ich morgen darüber denke.
    Als ich gerade beschlossen habe, Birgul zu vertrauen und ihm von meinem Polaroid zu erzählen, klingelt mein Telefon. Es ist nochmal Paula. Sie bittet mich inständig, sofort zum Hotel Doina zu fahren. Ich will ihr von Birguls Datei erzählen, aber dann ist die Verbindung schon wieder unterbrochen und ich komme nicht mehr durch.

17
    Ein Mann steht oben an einem steil abfallenden Talkessel. Weiter unten sieht man eine Kirchturmspitze und ein paar Hausdächer. Es dämmert schon, aber der Mann will noch ins Dorf, wo ein Bett auf ihn wartet. Der Weg hinunter ist schwer zu erkennen, jeder Fehltritt kann den Tod bedeuten. Der Mann kommt nur langsam voran und schafft den Abstieg vor Einbruch der Dunkelheit nicht. In seinen Taschen sucht er nach einer Taschenlampe, findet aber nur ein Gasfeuerzeug. Er versucht, den Weg zu beleuchten, aber das Licht ist zu schwach. So beschließt er, zu warten, bis es wieder hell wird. Er setzt sich hin. Einmal lässt er das Feuerzeug aufflammen, weil ihn dann vielleicht jemand findet und mit nimmt. Mit dem Feuerzeug in der Hand sitzt er ruhig da und schaut sich zum ersten Mal genauer um. Die ganze Steilwand mit kleinen Lichtpunkten übersät. Überall sitzen Wanderer, die den Abstieg nicht geschafft haben, auf den nächsten Tag warten und ihre Feuerzeuge angemacht haben. Zusammen, aber doch jeder für sich.
     
    Traurig wache ich auf. Es ist noch dunkel draußen und der zutiefst hoffnungslose Traum verfolgt mich. Dabei war die Lage des Wanderers doch eigentlich gar nicht so schlimm. Er muss nur bis Tagesanbruch warten und kann dann weitergehen. Die anderen sind – jeder für sich – in derselben Lage. Das Schlimme war nicht greifbar, sondern hing wie eine Drohung in der Luft. So wie wenn der Arzt einem sagt, man sei unheilbar krank: Es gibt zwar einen Morgen danach, aber darin liegt nicht der geringste Trost.
    Ich kann nicht mehr einschlafen. Normalerweise hilft es mir, wenn ich in diesem Zustand etwas esse, aber ich habe nichts zu essen. Die Sorgen um Max konkurrieren mit den Sorgen um Paula. Wo ist Max, was macht er gerade? Was hat Paula vor? Wann kommt Akan zurück?
    Gestern kam ich nach Einbruch der Dunkelheit im Hotel Doina an. An der Rezeption wartete Akan auf mich und führte mich in sein Zimmer. Niemand begegnete uns. Er schloss leise die Tür auf und wieder zu, machte das Licht an und zog die Gardinen zu. Er wirkte verärgert, aber das war kein Wunder. Ich hatte mehrfach seine Pläne durchkreuzt, Schwierigkeiten gemacht und Treffpunkte verpasst. Einmal aus Blödheit und einmal absichtlich. Doch er klang freundlich, als er schließlich sprach.
    »Gestern Abend hat Anna Lenz von ihrem Zimmer aus ein Gespräch mit einer Kollegin in Deutschland geführt. Ihr Mobiltelefon war offenbar kaputt oder nicht aufgeladen. Die Rezeptionistin hat das Gespräch vermittelt und für mich aufgezeichnet. Am besten hörst du dir das selbst mal an.«
    Wieder jemand, der Akan einen Gefallen schuldete. Aber ich kann mir nicht auch noch darüber Gedanken machen. Vorsichtshalber beschließe ich, Akan noch nichts von Birguls Datei zu erzählen. So hat eben jeder seine Geheimnisse. Akan drückte die Starttaste.
    »Gertrud Almer, Redaktion Come on , was kann ich für Sie tun?«
    Gertrud Almer, der Name kam mir bekannt vor. Ich drückte die Stopptaste und dachte einen Augenblick nach. Dann fiel es mir wieder ein: Sie war die Chefin vom Dienst, von der Anna im Flugzeug erzählt hatte.
     
    »Hier Anna. Ich habe ein Problem wegen morgen. Der Text ist noch nicht fertig. Und ich

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