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Sintflut (German Edition)

Sintflut (German Edition)

Titel: Sintflut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Schulze
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keinen Grund, sie noch länger in mein Spiel zu verwickeln. Andererseits kann ich jede Hilfe brauchen. Auch würde ich ihr gern alles erklären, aber sie ist ja schon seit zwei Tagen überfällig.
    Das stimmt allerdings. Nie habe ich in den letzten paar Tagen das gemacht, was ich machen sollte und bin mit an dem Chaos schuld. Ich probiere etwas aus, es läuft aus dem Ruder, dann stehe ich vor einem Scherbenhaufen: Diese Seite von mir habe ich bei all der Ordnung, die heute in meinem Leben herrscht, ganz vergessen und wollte sie auch vergessen, denn sie hat mir noch nie Glück gebracht.
    Als Polizistin waren die impulsiven, ungehobelten Fernsehkommissare mein Vorbild, die auf eigene Faust herumstöbern und sich grundsätzlich nicht an die Regeln halten. Die ganz normale, langweilige Polizeiarbeit buchstabengetreu erledigen? Das kam für mich nicht infrage. Ich folgte meinen sogenannten Instinkten, eigentlich nichts weiter als ein hirnrissiger Spieltrieb. So geriet ich an Hassan Asmani, ein albanischer Drogendealer aus dem Kosovo, der in Bremen Asyl erhalten hatte und von der Staatsanwaltschaft Würzburg wegen schweren Betrugs, Menschenhandel und Waffenschmuggel angeklagt werden sollte.
    Hassan hielt sich für einen Freiheitskämpfer und wenn er über das Massaker von Srebenica sprach, dann liefen ihm die Tränen übers Gesicht. Ich glaubte ihm die Sache mit der Freiheit und wollte nicht wahrhaben, dass es auch ihm nur darum ging, den Gegner möglichst brutal und unbehelligt abschlachten zu dürfen. Ich glaubte ihm auch noch andere Sachen, denn ich wollte an die ganz großen Fische, an seine Hintermänner dran.
    Dabei verwickelte ich mich in ein Netz, in dem ich alleine zappelte, als es sich schließlich zusammenzog. Es war nur für mich geknüpft worden, wie ich später erfuhr. Bis heute weiß ich nicht, wer von meinem Abgang etwas hatte und ob ich versehentlich doch jemand zu nahe gekommen war, aber eins ist ganz sicher: Vor meinem überragenden Spürsinn hätte sich niemand fürchten müssen. Eher schon vor meiner – allerdings höchst unzuverlässigen – Fähigkeit, eine Flasche so zu zerdeppern, dass eine ihrer vielen Scherben zufällig an eine Stelle kullert, wo etwas anderes liegt: ein 100-Euro-Schein, ein goldener Ring, ein Schlüssel zu einem Schließfach mit einem Koffer Geld.
    Aber Schluss damit. Es liegt wahrscheinlich an der Luftveränderung, dass ich mir diesen Rückblick erlaubt habe, denn normalerweise verbanne ich alle Gedanken an das Desaster schnell wieder aus dem Kopf. Die Wunde heilt ohnehin langsam genug, und da darf ich nicht auch noch dauernd am Schorf kratzen.
    Soll ich zurück ins Hotel Doina? Widerwillig schaue ich mir auf der Landkarte an, wie ich nach Tirgu Neamt komme. Dann falte ich sie wieder zusammen und während ich das tue, sehe ich die sieben Worte, die ich auch gestern oder vorgestern schon hätte sehen können, wenn ich nicht so blind gewesen wäre: Lukas sich Weg und Gedränge bahnten Lokomotive . Aus unserem Satz. Wenn jedes Wort für eine Zahl steht, ergibt das die Nummer 046199316. Ich atme tief durch, tippe die Kombination in mein Handy und tatsächlich bringt sie irgendwo da draußen einen Apparat zum Läuten. Nach dem fünften Mal schaltet sich ein Anrufbeantworter ein und sagt etwas auf Rumänisch. Ich verstehe kein Wort, aber nach dem Piepton sind alle Menschen gleich. Ich spreche meine Nummer auf und fünf Minuten später klingelt es.
    »Marlene?«
    »Ja, hallo. Ich bin’s.« Mehr kriege ich nicht raus. Ich habe mir kaum überlegt, was ich sagen soll und jetzt fällt mir nichts ein. Das geht mir oft so, wenn ich aufgeregt bin und ich hasse es. Ich werde von Gefühlen überwältigt, muss aber die Fassung bewahren.
    »Marlene, bist du noch da? Was ist los mit dir? Wo steckst du?«
    »Dasselbe kann ich dich auch fragen«, bringe ich lachend hervor. »Ich bin so froh, endlich deine Stimme zu hören. Wann können wir uns sehen? Wo können wir uns treffen?«
    »Marlene, fahr bitte ins Hotel Doina. Akan wartet da immer noch auf dich.«
    »Er und noch ein paar andere warten auch. Sogar das Fernsehen ist da.«
    »Das weiß ich. Fahr trotzdem hin. Mein Plan hat nicht funktioniert, aber vielleicht klappt ein anderer. Außerdem möchte ich dich sehen. Akan wird dich zu mir bringen.«
    »Wieso gibst du mir nicht einfach deine Adresse? Ich finde dich auch alleine.«
    »Das ist mir zu riskant. Man könnte dir folgen. Und du kannst Akan völlig vertrauen. Er ist ein Freund!«
    »Sag

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