Sintflut (German Edition)
kann dir auch nicht genau sagen, wann …«
»Höre ich richtig?«, schimpft Gertrud Almer sofort los. »Ich soll eine auf sechs Seiten geplante Geschichte bis nach Redaktionsschluss offen halten? Und womit soll ich die sechs Seiten füllen, wenn du es vermasselst? Die Story ist das redaktionelle Umfeld für zwei doppelseitige Goldschmuck-Anzeigen. Der Kunde rastet aus, wenn du nicht fertig wirst.«
»Ich weiß, ich weiß, aber ich kann das nicht beeinflussen. Vielleicht fliegt hier schon morgen alles auf, jedenfalls braut sich was zusammen. Paula Petrus ist weiterhin unauffindbar, aber Martin weiß, wo sie ist. Er hat es mir nur noch nicht …«
»Ich höre seit Tagen immer nur Martin. Hast du auch noch eigene Ideen, wie die Sache weitergehen soll?«
»Ich kriege ihn schon rum, keine Sorge. Dann mache ich ein Exklusivinterview mit ihr. Und wenn sie nicht mit mir reden will, drohe ich ihr, allen zu verraten, wo sie ist. Das will sie bestimmt nicht.«
Es folgte eine längere Tirade. Gertrud Almer schimpfte, natürlich erfolglos. Anna saß am längeren Hebel. Man würde auf die Story warten, Redaktionsschluss hin oder her.
»Hör zu, Gertrud, ich geb mir ja Mühe, okay? Martin weiß, wo Paula Petrus steckt, und ich muss es aus ihm rausbekommen.«
»Und was hat er davon? Was hat er überhaupt in Rumänien zu suchen?«
»Ich weiß nicht, was er will, aber das finde ich auch noch heraus. Rivalität unter Wissenschaftlern, so was in der Art. Wir müssen das unbedingt bringen. Jeder weiß doch, wie die Leute auf schmutzige Insidergeschichten abfahren. Selbst du musst das doch gelernt haben.«
Der Stich saß. Eine ehemalige Redaktionsassistentin war auf ihren Platz verwiesen worden. »Mach doch, was du willst. Ich lege das dem Chef vor und wenn der die Verantwortung übernimmt, soll’s mir recht sein. Ich warte auf deine Story, aber ich bereite einen Ersatztext vor. Wenn ich bis übermorgen Nacht nichts von dir höre, kommt der ins Blatt. Ich habe schließlich auch einen Job zu machen.«
Gertrud Almer hatte aufgelegt, ohne Anna noch einmal zu Wort kommen zu lassen. Als ich die Stopptaste drückte, fragte ich mich, wie weit Fleischmann gehen würde. Es war ein Fehler gewesen, ihm das Foto zu zeigen. Aber andererseits: Was konnte er Paula schon anhaben?
»Rivalität unter Wissenschaftlern, wie kommt Anna bloß darauf«, fragte ich Akan, denn Fleischmann hätte doch längst Gelegenheit gehabt, Paula in die Quere zu kommen. Warum hätte er gerade jetzt damit anfangen sollen?
»Sie redet Unsinn, ganz einfach. Sie weiß: Fleischmann spielt nur den großen Max, aber das wollte sie gegenüber ihrer Kollegin nicht zugeben. Trotzdem müssen wir ihn ernst nehmen und Paula schützen.«
»Schützen wovor? Und wer ist wir?«
»Freunde. Meine Freunde, Paulas Freunde, und wenn du willst, auch deine«, antwortete Akan, ohne wirklich zu antworten.
Mehr war nicht aus ihm herauszubekommen. Der Mann ist mir ein Rätsel. Immer wach, immer freundlich, aber völlig undurchschaubar. Aber auch das trifft es nicht ganz. Nichts trifft es ganz, ich kriege kein klares Bild, wenn ich über ihn nachdenke. Er bleibt im Hintergrund, hat aber überall seine Finger drin. Er organisiert dieses oder jenes, ist immer unterwegs und vielleicht allerlei Gefahren ausgesetzt, macht aber stets den Eindruck eines Mannes, der gerade drei Wochen Angelurlaub hinter sich hat.
»Ich habe jetzt eine Verabredung mit Birgul Schmitzig. Warte hier auf mich. Was du brauchst, wird dir gebracht. Vor morgen bin ich nicht zurück.«
»Was willst du mit ihm machen? Wie kommt er überhaupt hierher?«
»Er hat seine eigenen Nachrichtenkanäle. Den illegalen Handel mit Kunstschätzen beherrschen nur wenige, Birgul ist einer davon. Rumänien ist für ihn ein Heimspiel. Noch hat er deshalb einen Vorsprung vor den anderen Geiern, aber die sind bestimmt schon auf dem Weg hierher. Und dann haben wir noch einen geheimnisvollen Unbekannten, der bei aller Geheimhaltung genau zu wissen scheint, um was es geht.«
»Wäre es dann nicht besser, sofort abzuhauen? Es ist dunkel, du weißt, wo Paula ist und bestimmt rechnet niemand damit, dass wir jetzt fahren.«
»Zu unsicher. Ich will Birgul weghaben und die Journalisten sollen ihm folgen. Fleischmann wird darauf nicht hereinfallen, er weiß mehr als die anderen. Was Anna machen wird, kann ich nicht sagen. Jedenfalls sind mir zwei Verfolger lieber als ein Dutzend.«
»Was hast du vor?«
»Ich werde«, kündigte Akan
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