Sintflut (German Edition)
Landes bringen und in einem ordentlichen deutschen Museum abliefern?«
»Nun«, meint Paula trocken und setzt sich an den Tisch. »Wenn du in Rumänien jemanden weißt, bei dem der Schatz in Sicherheit ist, bis wir die Unesco auf unserer Seite haben, dann umso besser. Aber du weißt niemanden. Und die anderen auch nicht, sonst hättet ihr mich doch gar nicht hierher geholt. Korruption gibt es auch in Deutschland, das weiß ich. Aber viel weniger. Ich kenne Leute, denen ich hundertprozentig trauen kann. Zum Beispiel den Leiter des archäologischen Museums in München. Er heißt Viktor Kabaceu und ist Rumäne. Er würde alles tun, um die Figuren zu schützen.«
»Das meinst du doch hoffentlich nicht ernst«, schimpfe ich heftig. »Du kannst deinen Beruf vergessen, wenn rauskommt, du hast was nach Deutschland geschmuggelt.«
Paula dreht sich zu mir um. »Da hätten wir ja was gemeinsam, große Schwester«, sagt sie in einem Tonfall, als hätte ich gesagt, Kaffee schmecke nicht, wenn man zwei Löffel Salz reintut. »Das darf natürlich nicht rauskommen. Akan wird uns helfen. Du wirst uns helfen. Und es muss klar sein: Wir geben alles zurück, sobald die Sicherheit garantiert ist.«
»Selbst wenn ich dir helfen würde«, seufzt Akan, »kann ich das nicht alleine entscheiden. Die Dorfältesten müssen einverstanden sein. Aber jetzt lasst uns von was anderem sprechen. Wir sind gerade erst aufgestanden. Ich brauche einen Kaffee und nicht schon wieder Stress.«
Und ich brauche dringend frische Luft. Ich trete auf die Veranda. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern. Alles ist wie immer, nur ich nicht. Mein Magen ist bei dem Gedanken an Höhlen, Erdbeben, Grenzkontrollen, Polizei und Gefängnis auf die Größe einer Erbse geschrumpft. Die Geschichte unter der Überschrift ›Schatz in Sicherheit bringen‹ hat für mein Gefühl ausschließlich dunkle Kapitel. Ich atme ein paar Mal tief durch, dann zieht es mich wieder ins Haus zurück.
Paula und Akan sitzen unerwartet friedlich in der Küche und trinken Kaffee. Akan erzählt von den Bären, die es in den Karpaten immer noch gibt. Paula erzählt von dem Hasen, den sie überfuhr, als sie gerade ihren Führerschein gemacht hatte. Und ich erzähle von dem Braten, den ich für uns daraus machte. Er war praktisch ungenießbar und der Hase schien sich mit einem merkwürdigen Beigeschmack für seinen Tod zu rächen.
Unser Gespräch wirkt gezwungen. Unter einer dünnen Schicht aus Geplänkel lauern alle möglichen Schwierigkeiten, aber der Smalltalk beruhigt die Nerven und nach einer Weile lässt die Spannung etwas nach. Dann hören wir Schritte auf der Veranda. Es ist Leo, der sagt, die Dorfältesten kommen wegen der beiden Fotos zusammen. Akan erzählt ihm von Paulas Idee. Als er damit fertig ist, sagt Leo zu Paula: »Ich muss dir wohl nicht extra sagen, dass das illegal ist. Hier in Rumänien gehört alles, was du im Boden findest, automatisch dem Staat. Werdet ihr erwischt, landet ihr im Gefängnis. Aber ganz davon abgesehen wisst ihr nicht, wo der Zugang ist. Manchmal zweifle ich, ob es überhaupt einen gibt. Wir haben jeden Grashalm umgedreht und nichts gefunden.«
»Und wie ist Ludovico hineingekommen?«, fragt Paula mit Nachdruck.
Schweigend trinken wir unseren Kaffee. Es muss einen Zugang geben. Wenn nur Ludovico ihn gefunden hat, sind die Figuren vielleicht noch da, wenn ihn der große Unbekannte auch kennt … nein, er kann ihn gar nicht kennen. Er sucht ihn, genau wie wir. Ich glaube, der Mensch, der das Foto gemacht hat, war Ludovicos Komplize. Er hat die Journalisten auf Paulas Spur gebracht. So setzte er sie unter Druck. Aber warum? So lange er heimlich agiert, hat er doch viel bessere Karten, sich alles unter den Nagel zu reißen. Aber Paula hat vielleicht recht. Der Typ will ganz groß rauskommen. Der Schatz ist ihm gar nicht so wichtig.
»Wieso ist es eigentlich in all den Jahrtausenden nie jemandem gelungen, die Figuren zu stehlen? Das sind doch riesige Werte«, frage ich schließlich in die Stille hinein. Wie können so viele Normalsterbliche ihren persönlichen Vorteil hinter das Interesse der Allgemeinheit stellen?
»Ich kann nicht für alle Beteiligten sprechen«, antwortet Leo, »sondern nur für unser Dorf. Wir sind seit vielen Generationen die Hüter des Spiels. Ihm verdanken wir unsere Religion und unseren Zusammenhalt. Natürlich hätten wir das Spiel verkaufen können, aber was wäre das schon wert gewesen? Was ist schon Geld gegen die Tradition
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