Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sintflut (German Edition)

Sintflut (German Edition)

Titel: Sintflut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Schulze
Vom Netzwerk:
Akan und ich stiegen etwa eine Stunde steil bergan. Weiter oben folgten saftige Wiesen mit vereinzelten Fichten und Bergahorn, dazwischen Felsbrocken. Die Bäume hatten die Felsen, zwischen denen sie herangewachsen waren, mit ihren Wurzeln regelrecht überwältigt. Kein einfaches Baumleben, sondern ein Wickeln, Drängeln, Beugen und Drücken. Alles war mit allem verbunden und ineinander verschlungen, aus Ahorn, Fichte und Fels war ein Gesamtorganismus geworden.
    Nach einer weiteren Stunde erreichten wir einen Pass. Auf der anderen Seite erstreckte sich eine zerklüftete, von Wiesen, alten Bäumen und Felsen durchsetzte Landschaft. Ein Paradies für Bergsteiger. Schmale Pfade schlängelten sich halsbrecherisch an steilen Felswänden entlang, einer gefährlicher als der andere.
    »Warum wollen die ausgerechnet hier ein Luxushotel hinstellen?«, wollte ich wissen. »Das ist doch eher was für Kletterer, die nach getaner Arbeit zwischen den Felsbrocken ihr Zelt aufschlagen.«
    »Unsere Tourismusexperten denken da anders. Sie wittern wohl ein Geschäft mit denen, die schon ein wenig in die Jahre gekommen sind und die harte Berg- oder Wandertour mit Sauna und Massage abrunden wollen. Außerdem sprudelt irgendwo da unten eine heiße Quelle. Ein Bad darin soll alle Lebensgeister wecken. Das ist doch genau das, was die reichen Greise aus dem Westen sich wünschen.«
    Nicht weit von uns erhob sich eine Felsengruppe. Nicht sehr hoch, vielleicht 500 Meter, aber steil. Wir gingen auf sie zu und als wir einen ihrer Ausläufer erreicht hatten, blieb Akan vor einem Haufen Steine stehen.
    »Da war früher der Eingang.«
    Die Felsbrocken stellten ein unüberwindliches Hindernis dar. Man brauchte entweder einen Riesen, der die Steine einfach wegkickt, oder Bagger, Kräne, Hebewerkzeug und Sprengstoff. Umso rätselhafter kam es mir vor, dass Ludovico sich dort irgendwo durchgezwängt haben sollte. Denn er war, wie Leo uns erzählte, der dickste Mann in ganz Pluton. Und wenn ein Dicker einen Weg findet, dann ist dieser Weg meist einfach und bequem.
    »Wo haben die Leute damals nach dem Zugang gesucht?«
    »Hier am alten Eingang. Nach einem Erdbeben ist alles anders. Zugänge werden verschüttet, neue entstehen an den unwahrscheinlichsten Stellen. Alle glaubten, Ludovico hätte zufällig einen gefunden.«
    Wir kletterten ein wenig auf den Felsbrocken herum, die so aussahen, als hätten sie schon immer hier gelegen. Es war anstrengend und man musste seinen Körper im Griff haben. Wie hatte Ludovico das hinbekommen?
    Ich wollte das gerade Akan fragen, da hörte ich unter mir ein Geräusch, das einfach nicht hierher passte: Das Rascheln von Papier im Wind, wahrscheinlich verursacht von der frischen Brise, die mich auch gerade gestreift und mir eine Gänsehaut gemacht hatte. Ich schaute nach unten. Es war nichts zu sehen, da der Felsen, auf dem ich stand, mir die Sicht verdeckte. Aber hören konnte ich es ganz deutlich, also musste es da sein. Ich beschloss, dem Geräusch nachzugehen, stieg ab und stand bald am Fuß des Felsens. Hier gab es einen Zwischenraum, den man von oben aus nicht sehen konnte.
    Das Papierrascheln hatte aufgehört, aber nun konnte ich sehen, wodurch es verursacht worden war. Die Frau trug nur einen goldenen Stringtanga und stand in aufreizender Pose vor einem Pinguin. Ein neuerlicher Windstoß zauste an den beiden, aber sie sahen noch ganz frisch aus. Hier zwischen den Felsbrocken hatte jemand vor ganz kurzer Zeit ein Lager aufgeschlagen. Ein Schlafsack, ein paar Plastikflaschen und Konservendosen zeugten davon. Und diese Illustrierte mit Nackedeis und Berichten aus Wirtschaft und Politik. Es war die Juliausgabe von Open End , dem Magazin für Macher und Märkte.
     
    Akan und ich durchsuchten das Lager gründlich, aber einen Hinweis auf die Identität des Fremden fanden wir nicht, außer, dass er vermutlich Deutscher war, obwohl die Blondine natürlich auch für Analphabeten in Betracht kam. Doch hauptsächlich dachten wir an Fleischmann, er war immerhin gesehen worden. Wenn ihm dieses Lager gehört hatte, wusste er alles. Da es verlassen war, gab es zwei Möglichkeiten: Entweder suchte er wie wir nach dem Zugang und war irgendwo unterwegs. Er würde am Abend zurückkehren und morgen weitersuchen, wenn er keinen Erfolg gehabt hatte. Also mussten wir das Lager im Auge behalten, um ihn zu stellen. Oder er hatte den Zugang schon gefunden. In diesem Fall wäre es besser, seine Verfolgung aufzunehmen. Eine

Weitere Kostenlose Bücher