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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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vernahm:
    »Wer da?«
    Pan Andreas blieb wie angewurzelt stehen. Es wurde ihm heiß.
    »Die Unsrigen,« erscholl eine Antwort.
    »Die Losung?«
    »Upsala.«
    »Antwort?«
    »Krone.«
    Augenscheinlich löste man die Wache ab.
    »Wartet nur, ich werde euch schon Upsala und Krone zeigen,« brummte Kmicic vor sich hin.
    Sicherlich, die Verhältnisse begünstigten sein Vorhaben. Er konnte jetzt leicht die gefürchtete Linie während der Ablösung der Wache passieren und den abgelösten Soldaten folgen. Da stand er auch gleich vor der Schanze. Die Soldaten schlugen einen Seitenweg ein; Kmicic aber eilte schnell in den Graben hinunter.
    Mittlerweile begann es zu tagen. Auch dies war gut; denn sonst hätte Kmicic wohl kaum die Kanone finden können. Er bewegte sich vorsichtig vorwärts und gelangte bald zu seiner Kanone. Nun blieb er stehen und begann zu lauschen. Von der Schanze her drang ein Geräusch zu ihm. Wahrscheinlich standen dort Fußsoldaten zur Bedeckung des Geschosses. Die hohe Schanze verdeckte Kmicic; man konnte ihn wohl hören, aber nicht sehen. Seine Aufgabe bestand nun darin, an die Mündung der Kanone, die hoch über ihm lag, zu gelangen. Zum Glück waren die Seiten des Grabens nicht zu abschüssig, und die Erde dank dem Tauwetter nicht zu hart.
    Kmicic begann nach oben zu klettern. Nach einer Viertelstunde ergriff er endlich mit der Hand die Mündung des Geschützes. Dank seiner Kraft gelang es ihm, mit der anderen Hand den Pulverdarm in den Schlund der Kanone zu schieben.
    »Da hast du eine Wurst, Hund,« brummte er leise. »Sieh zu, daß du nicht an ihr erstickst.«
    Er ließ sich wieder auf den Erdboden herunter und suchte das Ende der Schwefelschnur. Nun hieß es Feuer zu schlagen. Er begann, es ganz vorsichtig zu tun, als ihn plötzlich von oben her jemand auf deutsch anrief:
    »Wer da?«
    »Ich bin es, Hans,« sagte ohne Zaudern Kmicic. »Der Teufel ließ mich den Ladestock fallen lassen. Jetzt mach' ich Licht, um ihn zu suchen.«
    »Dein Glück, daß man nicht schießt, könnt' dir sonst den Kopf kosten.«
    »Aha!« dachte Kmicic, »die Kanone ist also schon ohnehin geladen, desto besser!«
    In diesem Augenblicke fing die Schnur Feuer, und eine bläuliche Flamme schlängelte sich nach oben.
    Pan Andreas begann aus Leibeskräften den Graben entlang zu rennen. Kaum war er dreißig Schritte entfernt, als die Neugierde in ihm das Bewußtsein der schrecklichen Gefahr überwog.
    »Was, wenn die Schnur erlosch? Die Luft ist ja so feucht,« dachte er und drehte sich um. Das Flämmchen war noch zu sehen.
    Er begann wieder zu rennen; aber er stolperte über einen Stein und fiel. Fast in demselben Augenblicke erscholl ein fürchterliches Krachen. Die Erde erbebte, Steine, Eisstücke, Erde, Holz und Eisen flogen pfeifend um seine Ohren, und er verlor das Bewußtsein.
    Bald folgten neue Explosionen. Die in der Nähe der Kanone stehenden Kisten mit Pulver hatten sich entzündet.
    Kmicic aber hörte von alledem nichts mehr; er lag wie tot.
    Er hörte nicht, wie bald nach der eingetretenen Totenstille Menschengestöhn, Schreie und Hilferufe erschallten. Er sah nicht, wie die Hälfte der schwedischen und polnischen Truppen zur Explosionsstätte eilte, wie General Müller mit seinem Stabe herangesprengt kam. Es währte lange, ehe der General aus den zusammenhanglosen Erzählungen die Wahrheit erfuhr, ehe er begriff, daß die große Kanone wirklich von jemand mit Vorbedacht gesprengt worden war. Man begann die Gegend abzusuchen, und gegen Morgen fanden Soldaten den im Graben liegenden Kmicic.
    Es zeigte sich, daß Pan Andreas nur betäubt war, aber durch die Erschütterung waren ihm zeitweilig Hände und Beine wie gelähmt. In diesem Zustande verbrachte er den ganzen Tag, gegen Abend konnte der Kranke dank der Bemühungen der schwedischen Ärzte vor Müller erscheinen.
    Der General empfing ihn in seinem Zelte, am Tische sitzend. Ihm zur Seite saß der Fürst von Hessen und Wrzeszczowicz und andere schwedische und polnische Offiziere, Sadowski, Zbrozek, Kalinski und Kuklinowski.
    Dieser letztere wurde beim Anblicke Kmicic' vor Zorn dunkelblau, und seine Augen funkelten wie zwei glühende Kohlen.
    »Ich kenne diesen Burschen,« sagte er, ohne eine Frage des Generals abzuwarten. »Er gehört zur Czenstochauer Garnison. Er heißt Babinicz.«
    Kmicic schwieg. Sein Gesicht war bleich aber ruhig. Mit stolzem Blicke sah er auf die Anwesenden.
    »Haben Sie die Kanone gesprengt?« fragte ihn Müller.
    »Ja, ich,« antwortete

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