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Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe

Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe

Titel: Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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ich vorher gesagt habe – eine Art Bühne, auf der dasselbe Stück immer wieder gespielt wird, mit leichten Abweichungen.“
    „Aber warum Abweichungen?“
    „Diese Abweichungen sind der Beweis dafür, dass die Seelen im Inneren des Films tatsächlich leben, dass das Ganze nicht nur einfach irgendein mysteriöses Spielzeug ist. Deshalb der Begriff Pseudojenseits. Die Seelen der Sterbenden haben den Sprung in das echte Jenseits nicht geschafft, da sie Zuflucht in der Welt des Films fanden.“
    In Melanies Augen funkelte es fasziniert. Allmählich verstand sie, was er meinte. „Schade, dass ich den Film nicht sehen konnte“, brummte sie. „Er hätte mich wahnsinnig interessiert.“
    „Aber du hast ihn doch gesehen! Nicht durch den Projektor, sondern mit eigenen Augen. Wie du dein Near-Death-Erlebnis schilderst, lässt keinen Zweifel zu – deine Seele war nicht im Jenseits, sondern im Pseudojenseits dieses Films. Du warst in dieser anderen Realität, in diesem Film, Melanie, und du bist wieder daraus zurückgekehrt!“

7
    Ein Klopfen an der Tür weckte sie.
    Warum kannst du nicht klingeln, wer immer du bist? , dachte Frau Kapf, dann aber fiel ihr ein, dass die Glocke seit zwei Monaten nicht mehr richtig funktionierte. Einer der Schäden, die sie nicht auf ihren seligen Mann schieben konnte und deshalb zu verdrängen suchte.
    Sie stemmte sich aus dem Sessel und taumelte zur Tür. Vor dem Kinderzimmer stolperte sie über ein ohnehin zerquetschtes Spielzeugauto, vor der Küche über eine Kehrschaufel. Sie drückte die Klinke hinab und zog die Tür nach innen auf. Sie erwartete Frau Salensky, Frau Tritschler oder Frau …
    Frau Kapf starrte in einen runden, dunklen Schacht, den sie zunächst nicht einordnen konnte. Dahinter versteckten sich ein paar Menschen und fuhren sich durch die Haare. Alles sah für einen Moment so unwirklich aus, dass sie den Eindruck hatte, eine Tür in eine andere Welt geöffnet zu haben. Eine Tür, die ihr verboten war und die sie dennoch aufgerissen hatte, wie es ihre drei Bälger mit den Schubfächern taten, die sie ihnen zu öffnen verbot. Sie war noch etwas schlaftrunken und wischte sich über die Augen.
    „Entschuldigen Sie vielmals die Störung“, sagte einer der Männer, nachdem er fertig damit war, seine Haare an den Kopf zu klatschen. Sie erkannte jetzt, dass der dunkle Schacht das Objektiv einer Filmkamera war – nicht eines dieser kleinen Dinger, wie der Japaner eins gehabt hatte, der letzten Sommer plötzlich durch ihr Viertel wieselte und die ganze Zeit über filmte, bis Herr Fritsch von nebenan ihm damit eins über die Rübe gab. Nein, der Japaner, der mit dieser Kamera von Herrn Fritsch eins übergebraten bekäme, hätte seine Kirschblüten garantiert zum letzten Mal bewundert und würde seinen rohen Fisch fortan aus der Schnabeltasse trinken …
    „Sind Sie vom Fernsehn?“, brachte sie atemlos hervor.
    „Erraten, meine liebe Frau …“ Der Mann, der das sagte, warf einen hektischen Blick auf das Schildchen neben der Tür und dann, als er sah, dass dort kein Name stand, auf einen Notizzettel, der in seiner Jackettasche steckte. „… Frau Kapf! Nun, ich weiß nicht, ob Sie mich kennen. Mein Name ist …“
    „Der Bürgermeister!“, schrie sie, und der Mann nickte freundlich, auch wenn ihn die Phonstärke ihres Ausrufs ein wenig erzittern ließ.
    Er war es tatsächlich. Natürlich nicht wirklich der Bürgermeister, aber der Herr, der es werden wollte, Walter Gerstschneider, dessen väterlich-gestrenges Gesicht ihr von drei Plakaten in ihrer Straße entgegenlachte. Sie erkannte ihn sofort, denn er sah genauso aus wie auf den überlebensgroßen Fotos. Nicht nur hatte er keinen Penis auf der Stirn (im Gegensatz zu seinem Konkurrenten Kaiser), auch jetzt nicht, nein, auch Frisur, Teint und sogar das Lächeln stimmten überein. Lediglich war er nicht ganz so glattrasiert wie auf den Plakaten. Es musste schon einige Stunden her sein, seit er aufgestanden war und sich rasiert hatte, denn dunkle Bartstoppeln bedeckten Kinn und Hals. Fast wie bei dem Plakat, das einer ihrer Jungen besudelt hatte …
    Es traf sie wie ein Schlag. Sie fragte sich nicht, wie und warum er hierher kam, was er mit einem Fernsehteam im Schlepptau vor ihrer Wohnungstür zu suchen hatte – die einzige Sorge, die sie im Moment hatte, war, ob er sein verschandeltes Plakat gesehen hatte! Sie hätte sich zu Tode geschämt, falls er erfahren hätte, dass sie die Mutter des Lümmels war, der sein

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