Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe

Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe

Titel: Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
Vom Netzwerk:
sie doch miteinander, kämpfen um die Vorherrschaft, drängeln und zanken. Es wäre ein Fehler, diese Flasche auf einen Tisch zu stellen und sie unbeaufsichtigt zu lassen. Mindestens solltest du sie festbinden, besser noch in dicke Tücher wickeln und auf den Boden stellen. Der Hunger bringt jedes Geschöpf in diesem Universum dazu, andere zu fressen. Nur derjenige, der die Flasche mit dem Hunger hält, ist nicht in Gefahr.“
    „Danke“, sagte sie unwillkürlich. „Du bist sehr freundlich.“ Ihr Körper spannte sich. Sie hoffte, nichts Falsches gesagt zu haben.
    „Ich bin ein Engel“, antwortete die Gestalt ruhig. „Es ist nicht in meinem Sinne, dir ein Leid zuzufügen. Es sei denn, du hältst dein Versprechen nicht.“
    Sie duckte sich, denn es war ihr, als sei sein Körper, der noch immer nicht den Boden berührte, ein Stück auf sie zugeschwebt. Sein Gesicht verzerrte sich zu einem Zug, den sie noch nie bei einem Menschen gesehen hatte und daher nicht zu deuten wusste.
    „Wenn du deinen Teil des Handelns nicht erbringst“, fuhr er fort, „wirst du sehen, dass der Name ‚Engel’ mich nicht bindet. Die Bezeichnung wurde mir von den Menschen gegeben. Ich kann sie abwerfen, wenn sie mir zu eng wird.“
    Langsam wich sie zurück. Sie floh nicht vor ihm, doch sie entfernte sich rückwärts Schritt für Schritt von der Stelle, an der er wartete. Die beiden Flaschen hielt sie in der Hand, was kein leichtes Unterfangen war, denn die eine war schwer wie Blei und die andere ruckte ständig in ihren Fingern, als wolle sie sich befreien. Sie wagte es nicht, den Blick von ihm zu nehmen, obwohl sie sich sagte, dass er ihr nicht folgen würde. Er würde die sieben mal sieben mal sieben Schritte Entfernung zur Festung einhalten, denn es konnte nicht in seinem Sinne sein, dass ihr Geschäft aufflog, ehe es vollständig abgewickelt war.
    Und das würde dauern.
    Der Mond war noch immer da, und schien sie zu warnen. Alles hat Löcher, schien er zu sagen, selbst der Himmel. Vielleicht auch dein Plan.
    Als sie zu stolpern drohte, wandte sie sich endlich um und lief keuchend den Weg zurück nach Valkynguur.

2
    „Hast du eine Erklärung für das ?“
    Die gekrümmte Säbelklinge schnalzte beinahe wie eine Peitsche auf das Holz der Tür zu und stieß sie auf. Der ganze Arm hinter der Klinge hatte sich in einer ruckartigen, kaum zu verfolgenden Bewegung gestreckt – und bewegte sich nach dem Stoß ein paar Augenblicke lang weiter wie eine Maschine, die sich nicht sofort stoppen ließ. Die Hand blieb fest um den Griff geschlossen, das Handgelenk ungebeugt. Protestierend knarrte das glänzende schwarze Leder. Nicht nur die Hand und den Arm hüllte es ein. Der ganze Körper war von der vertrackten, undurchschaubaren Struktur aus Riemen bedeckt. Die Blässe der schlanken jungen Frau vertiefte sich für einen Moment zu perfektem Weiß hin, verlor jede Farbe und nahm den Ton einer Welt an, die nicht den Lebenden gehörte. Nur langsam normalisierte sie sich wieder.
    „Die Kammer ist leer“, stellte Sabel fest. Sie tanzte zwei Schritte zur Seite, um Jaque einen Blick zu gestatten.
    Doch die Frau mit der einzelnen roten Haarlocke auf der Stirn nahm das Angebot nicht an. „Sie sind alle fort“, meinte sie, den Blick starr auf Sabel gerichtet. „Wie hätte es mir verborgen bleiben sollen? Ihre Geräusche waren nicht da.“
    „Du denkst, du weißt alles …“
    „Nicht alles. Ich weiß noch nicht, wer oder was hinter ihrem Verschwinden steckt. Und es gibt keinen Grund, nicht anzunehmen, dass du selbst etwas damit zu tun haben könntest …“
    „Ich?“ Der Kopf mit den abstehenden schwarzen Haarsträhnen ruckte herum, und die Spitze der Waffe, die wenige Sekunden vorher noch die schwere Holztür mit einem scharfen Schlag aufgestoßen hatte, lag nun an Jaques Kehlkopf, ohne dass diese hätte sagen können, wie das Metall den Weg dorthin gefunden hatte.
    Mehr noch: Jaque hatte sich eingebildet, ihren Hals mit einer ihrer Hände geschützt zu haben, doch jetzt merkte sie, dass sie diese Hand bereits an ihrem Rock rieb, weil sie schmerzte. Ein rötlicher Abdruck formte sich auf ihrem Daumenballen. Der Säbel musste sie dort getroffen haben, mit der breiten Seite. Unbegreiflich, diese Geschwindigkeit! Würde sie es überhaupt mitbekommen, falls die feine Klinge ihren Hals durchbohrte? Oder würde sie tot sein, noch ehe der Schmerz eintrat? Vielleicht war es kein Zeichen von Klugheit, eine Frau zu reizen, die eine so mörderische

Weitere Kostenlose Bücher