Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe
junge Frau mit den schmalen Augen und der starren Miene hüllte sich in dunkle, weit fallende Gewänder und sprach nur, wenn es unbedingt notwendig war. Sunray, die ebenfalls aus einem Reich im fernen Osten stammte, war das brandende, kochende Leben in Person, während Mad Kao im strengen Kontrast dazu dem Land der Toten entschlüpft zu sein schien.
Bei Melana handelte es sich um eine Blutelfe. Blutelfen waren seltene, zierliche Geschöpfe, nicht viel größer als eine menschliche Hand. Ihre dunkelrote Haut und ihr ebenso gefärbtes Haar waren Programm, denn sie ernährten sich am liebsten von frischem Blut oder Fleisch – wenn es vom Menschen stammte, beschwerte sie sich nicht. Zur Sicherheit der anderen hielt man Melana in einem Käfig, wie man ihn auch für Nachtigallen verwendete. Über weite Teile des Tages konnte man das entsetzliche Quietschen vernehmen, das entstand, wenn sie an den Gitterstäben nagte. Die Blutelfe hatte Flügel auf dem Rücken, die denen eines Schmetterlings ähnelten, jedoch nur Abstufungen von Rot und Schwarz zeigten. Es fiel ihr schwer, die Flügel im Käfig zu voller Pracht auszubreiten, und obwohl sie der menschlichen Sprache nicht mächtig war, gelang es ihr bisweilen, mit ihren herzzerreißenden Klagelauten die leichter beeinflussbaren unter den Bewohnern Valkynguurs dazu zu bewegen, ihren Käfig zu öffnen.
Einer der Hauptkandidaten für eine solche Dummheit war Mikyal, ein hagerer Allesfresser in menschlicher Form. Vielleicht war es die Hartnäckigkeit, mit der Melana an ihren Stäben nagte und sie doch nicht zerbeißen konnte, die das Mitleid in ihm weckte. Für ihn und sein diamantenes Gebiss wäre es kein Problem gewesen. Wenn er den Mund öffnete, funkelten die Edelsteine, die seine Zähne waren. Mikyal war (abgesehen von seinem Hang, Melana zu befreien) ein harmloser Zeitgenosse. Zwar konnte er alles zerbeißen und verdauen, was es in dieser Welt gab, doch von Menschen ließ er die Finger.
Der Letzte der Schüler war N’n, und bei ihm hätte Jaque sich am schwersten getan, ihn jemandem zu beschreiben. Er hatte keine eigene körperliche Existenz. Er war eine Art Gefühl in ihnen, eine Stimmung, etwas, das man manchmal spürte, so wie man Angst spüren konnte, Zorn, Trauer, Liebe, Hoffnung oder Neugier. „Ich fühle N’n“, sagte man in solchen Fällen, oder „Ich fühle mich N’n.“. Es war ein bisschen feierlich, dieses Gefühl, ein wenig, als bekomme man vertrauten Besuch, und ein wenig, als würde die Beleuchtung etwas schummriger, die Luft etwas wärmer und röche würziger. N’n war männlich, keine Frage, denn die Frauen empfanden ihn anders als die Männer, intensiver, sinnlicher. Er wohnte in dem Zimmer, in dem auch Schorge und seit neuestem Arthuris nächtigten. Die beiden träumten Träume, die von seiner Gegenwart nur so troffen, und wenn sie zähneknirschend daraus erwachten, produzierte ihre Kehle gerade die Laute seines Namens: N’n.
Ja, es war eine irre Ansammlung der unterschiedlichsten Wesen – ein Unding, sie im Unterricht alle unter einen Hut bringen zu wollen. Und doch gelang das ihren Lehrern manchmal, wenn auch nur für kürzeste Zeit. Jaque konnte sich vorstellen, was für ein schweres Joch die fünf Lehrer trugen, und gab sich alle Mühe, ihnen entgegenzukommen. Was die anderen wiederum als Speichelleckerei ansahen.
Arthuris’ Frage stand noch immer unbeantwortet im Raum. Was gedachte man zu unternehmen?
„Sie haben keine Nachricht hinterlassen?“, hakte der Ritter weiter nach. Eine Brustplatte zierte seinen Oberkörper, poliert und glänzend, doch längst nicht mehr frei von Schrammen. „Und es gibt auch keine Spuren eines Kampfes?“
„Weder noch“, antwortete Sabel. Ihre Augen blitzten. Sie hatte offenbar alle Zimmer durchsucht und wartete darauf, ob jemand Zweifel an ihrer Aussage anmelden und eine zweite Durchsuchung beginnen würde. Er würde Bekanntschaft mit ihrer Klinge machen.
Jaque maß diesem Verhalten nicht zu viel Bedeutung bei. Einerseits machte Sabel sich verdächtig, denn wenn sie es aus Stolz nicht zuließ, dass andere in den Zimmern nach Spuren suchten, konnte das auch darauf hindeuten, dass sie etwas zu verbergen hatte. Andererseits kannte sie Sabel – dies war einfach ihr Charakter.
„Sie machen gewiss nur einen Spaziergang.“ Die samtweiche Stimme, die das sagte, gehörte Felinep. Der Panthermann strich zwischen den anderen hindurch.
„Hast du sie draußen gesehen?“, wollte Jaque wissen.
„Nicht
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