Sir Rogers himmlischer Kreuzzug
Unterstand, der auf halbem Wege zwischen den beiden Lagern errichtet werden sollte, die Dinge diskutiert wurden. Jede Seite sollte zur Mittagsstunde zwanzig unbewaffnete Leute dort hinschicken.
Während der Dauer der Waffenruhe sollten in Sichtweite der beiden Lager keine Schiffe fliegen.
„So!“ rief Sir Roger vergnügt aus, als wir zurücktraten. „Ich hab es nicht übel gemacht, nicht wahr?“
„K-k-k-k“, antwortete ich. Er verlangsamte seinen Trab etwas, und ich versuchte es noch einmal: „In der Tat, Sire, der heilige Georg – oder eher fürchte ich, der heilige Dismas, Schutzpatron der Diebe – muß Euch behütet haben. Und doch …“
„Ja?“ drängte er. „Hab keine Angst zu sagen, was du dir denkst, Bruder Parvus.“ Und dann mit einer ganz und gar unverdienten Freundlichkeit: „Mich dünkt oft, daß du mehr Kopf zu diesen schmalen Schultern trägst, als all meine Hauptleute zusammengenommen.“
„Nun, Mylord“, stieß ich hervor, „für eine Weile habt Ihr ihnen Konzessionen abgerungen. Wie Ihr vorhersagtet, sie sind vorsichtig, solange sie uns studieren. Und doch, wie lange können wir hoffen, sie zu täuschen? Sie waren seit Jahrhunderten eine herrschende Rasse. Sie müssen Erfahrungen mit vielen fremden Völkern haben, die unter vielen verschiedenen Lebensumständen existieren. Aus unserer geringen Zahl, unseren antiquierten Waffen, dem völligen Fehlen von uns gebauter Raumschiffe – glaubt Ihr nicht, daß sie daraus bald die Wahrheit schließen und uns dann mit überwältigender Macht angreifen?“
Seine Lippen wurden dünn. Er blickte zu dem Pavillon hinüber, in dem seine Dame und die Kinder hausten.
„Natürlich“, sagte er. „Ich hoffe, sie auch nur eine kurze Weile aufzuhalten.“
„Und was dann?“ drang ich in ihn.
„Ich weiß nicht.“
Und dann wirbelte er zu mir herum und musterte mich wild, wie ein herunterstoßender Falke, und fügte hinzu: „Aber das ist mein Geheimnis, verstehst du? Ich sage es dir wie unter der Beichte. Wenn es herauskommt, wenn unsere Leute erfahren, wie besorgt und planlos ich in Wahrheit bin … dann sind wir alle verloren.“
Ich nickte. Sir Roger gab seinem Pferd die Sporen und galoppierte ins Lager, schreiend wie ein Knabe.
9
Während des langen Wartens bis Tharixan seinen Mittagspunkt erreichte, rief mein Herr und Meister seine Hauptleute zum Rat zusammen. Ein Tisch wurde vor dem Zentralgebäude aufgestellt, und wir nahmen alle an ihm Platz.
„Durch die Gnade Gottes“, sagte er, „sind wir auf eine Weile verschont. Ihr werdet feststellen, daß ich sie sogar dazu gebracht habe, alle ihre Schiffe zu landen. Ich werde mir Mühe geben, uns soviel Zeit wie möglich zu verschaffen. Aber wir müssen diese Zeit nutzen. Wir müssen unsere Verteidigung stärken. Und außerdem werden wir diese Festung durchsuchen, ganz besonders nach Landkarten, Büchern und anderen Dingen der Weisheit. Diejenigen unserer Männer, die auch nur die geringste Begabung in den mechanischen Künsten besitzen, müssen jede Maschine, die wir finden, studieren und erproben, auf daß wir erfahren, wie man Kraftschirme errichtet und wie man fliegt und wie man sonst unseren Gegnern gleichkommt. Aber all dies muß insgeheim geschehen, an Orten, die feindlichen Augen verborgen sind. Denn wenn sie je erfahren, daß wir über all diese Dinge noch nichts wissen …“ Er lächelte und fuhr sich mit dem Zeigefinger über die Kehle.
Pater Simon, sein Kaplan, wurde etwas grün im Gesicht. „Müßt Ihr?“ sagte er mit schwacher Stimme.
Sir Roger nickte ihm zu. „Für dich hab’ ich auch Arbeit. Ich werde Bruder Parvus brauchen, damit er für mich übersetzt. Aber wir haben einen Gefangenen, Branithar, der Latein spricht …“
„Das würde ich nicht sagen, Sire“, unterbrach ich. „Seine Deklination ist schandbar, und wie er mit den unregelmäßigen Verben umspringt läßt sich in gebildeter Gesellschaft überhaupt nicht wiederholen.“
„Nichtsdestoweniger brauchen wir, bis er genug Englisch gelernt hat, einen Kleriker, um mit ihm zu sprechen. Siehst du, er muß erklären, was immer unsere Leute an den eroberten Maschinen nicht begreifen, und muß für andere Wersgor-Gefangenen übersetzen, die wir vielleicht verhören wollen.“
„Ah, und wird er das tun?“ sagte Pater Simon.
„Er ist ein höchst widerspenstiger Heide, mein Sohn, falls er überhaupt eine Seele besitzt. Denkt nur, erst vor ein paar Tagen, es war noch im Schiff, stand ich, in der
Weitere Kostenlose Bücher