Sir Rogers himmlischer Kreuzzug
Huruga genügend Zeit hatte, um über das nachzudenken, was er beobachtet hatte, mußte er unsere List durchschauen und uns vernichten. Solange unsere Kühnheit ihn blendete, war es durchaus möglich, daß er uns weiterhin für mächtiger hielt, als es der Wahrheit entsprach. Und wenn er es dann vorzog zu kämpfen, dann würden wir stärker sein – wegen der Waffen, die uns der Überfall einbringen würde.
Aber erwartete Sir Roger ernsthaft, daß ein so aberwitziger Plan Erfolg hatte? Nur Gott und er selbst konnten das beantworten. Ich wußte, daß er die ganze Zeit improvisierte. Er war wie ein Läufer, der immer wieder stolpert und plötzlich viel schneller rennen muß, um nicht zu stürzen.
Aber wie prächtig er doch rannte!
Jene Überlegung tröstete mich. Ich vertraute mein Schicksal dem Himmel an und schaufelte mit viel friedlicherem Herzen.
Kurz vor Einbruch der Morgendämmerung, als die Nebel zwischen den Gebäuden und Zelten und den langschnäuzigen Feuerbombarden dahinzogen und das erste schwache Licht den Himmel hinaufkroch, verabschiedete Sir Roger seine Krieger.
Es waren zwanzig an der Zahl: Red John mit den besten unserer Freisassen und Sir Owain Montbelle als Anführer. Es war seltsam, wie das häufig so schwache Herz jenes Ritters stets auflebte, wenn ein Kampf bevorstand. Er war fast so vergnügt wie ein Junge, als er in einen langen scharlachroten Umhang gehüllt dastand und seine Befehle entgegennahm.
„Geht durch den Wald und haltet Euch in Deckung, bis Ihr das Boot erreicht habt“, befahl mein Herr. „Wartet bis zum Mittag und fliegt dann weg. Ihr wißt, wie Ihr jene sich aufrollenden Karten benutzen müßt, wie? Nun denn, wenn Ihr zu diesem Stularax kommt – es wird etwa eine Stunde in Anspruch nehmen, wenn Ihr mit einer Geschwindigkeit fliegt, wie sie hier als vernünftig gilt –, landet in Deckung. Verpaßt der Burg ein paar Geschosse aus der Belagerungsmaschine, um die äußeren Verteidigungsanlagen zu brechen. Und dann stürmt zu Fuß, solange sie noch verwirrt sind; nehmt Euch aus den Arsenalen, was Ihr könnt, und kehrt zurück. Wenn hier immer noch alles friedlich ist, verhaltet Euch ruhig. Wenn der Kampf bereits ausgebrochen ist, nun, dann tut, was Euch klug erscheint.“
„Verstanden, Sire.“ Sir Owain drückte ihm die Hand. Das Schicksal wollte es, daß sich diese Geste zwischen ihnen nicht wiederholen sollte.
Als sie noch unter dem düsteren Himmel dastanden, rief eine Stimme: „Wartet.“ Alle Männer wandten ihre Gesichter zu den inneren Gebäuden, wo dicker Rauch emporquoll. Lady Catherine trat hervor.
„Ich habe erst jetzt gehört, daß Ihr geht“, sagte sie zu Sir Owain. „Müßt Ihr … zwanzig Männer gegen eine Festung?“
„Zwanzig Männer …“ er verbeugte sich mit einem Lächeln, das sein Gesicht wie die Sonne aufhellte – „… und ich und die Erinnerung an Euch, Mylady!“
Die Farbe kroch in ihrem bleichen Gesicht empor. Sie ging an dem stocksteifen Sir Roger vorbei zu dem jüngeren Ritter, bis sie vor ihm stand und zu ihm aufblickte. Alle sahen, daß ihre Hände bluteten. Sie hielt eine Schnur.
„Nachdem ich in dieser Nacht keinen Spaten mehr halten konnte“, flüsterte sie, „half ich Bogensehnen drehen. Ich kann Euch kein anderes Zeichen geben.“
Sir Owain nahm es in völliger Stille entgegen. Er verwahrte es unter seinem Kettenpanzer und küßte die zerschundenen Finger. Dann richtete er sich auf, und sein Umhang wehte in der leichten Brise, als er seine Männer in den Wald führte.
Sir Roger hatte sich nicht bewegt. Lady Catherine nickte kurz. „Und Ihr werdet heute mit den Wersgorix an der Tafel sitzen?“ fragte sie ihn.
Sie trat in den Nebel zurück, auf den Pavillon zu, den er nicht länger mit ihr teilte. Er wartete, bis sie verschwunden war, ehe er ihr folgte.
12
Unsere Leute nutzten den langen Morgen gut, um sich auszuruhen. Ich konnte inzwischen Wersgor-Uhren lesen, wenn ich auch nicht präzise sicher war, wie ihre Zeiteinheiten mit terrestrischen Stunden zu vergleichen waren. Zur Mittagsstunde bestieg ich meinen Zelter und traf mich mit Sir Roger, um zur Konferenz zu gehen. Er war alleine. „Ich dachte, wir sollten zwanzig sein“, stammelte ich.
Sein Gesicht wirkte wie aus Holz geschnitzt. „Dafür ist kein Anlaß mehr“, sagte er. „Bei jener Zusammenkunft wird es uns möglicherweise schlecht ergehen, wenn Huruga von dem Überfall hört. Es tut mir leid, daß ich dich gefährden muß.“
Mir tat das auch
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