Siras Toten-Zauber
einen Verdacht, Mandra, aber keinen Beweis.«
»Leider.«
»Den sollten wir uns dann holen. Hast du eine Zeit ausgemacht, wann du diesen Mann treffen willst?«
»Nein.«
»Dann sollten wir fahren.«
Ich winkte den Keeper herbei. Die Summe ließ ich auf die Zimmerrechnung schreiben.
Mandra und Suko waren schon gegangen, als ich unterschrieb. Der Keeper schaute mich forschend an.
»Ist was?«
»Kommen Sie gesund zurück, Sir. Indien kann manchmal sehr gefährlich sein.«
Ich wollte ihn noch fragen, doch er verschwand durch die hintere Zwischentür an der Bar.
Mit einem unguten Gefühl verließ ich den Raum…
***
Der Jeep war toll. Das sagte wenigstens Suko und meinte noch: »Nur gut, daß man im Dunkeln nicht alle Fehler erkennt.«
»Funktionieren denn die Scheinwerfer?«
»Nur der rechte.«
»Wieso findest du ihn dann toll?«
»Man ist ja schon zufrieden, wenn alle vier Räder vorhanden sind. Oder wie siehst du das?«
»Möglicherweise ähnlich.«
Mandra war noch einmal weggegangen. Wir hielten uns in der Nähe einer Laterne auf. Zwei davon beleuchteten den Außenparkplatz des Hotels. Als Mandra zurückkehrte, hielt er etwas Längliches in der Hand, eine Straßenkarte, wie er uns sagte.
»Liegt die Totenmühle weit außerhalb der Stadt?« erkundigte ich mich.
Der Inder hatte die Tür des Jeeps aufgezogen. »Ja, am Rand und direkt bei einem Fluß.«
»Werden hier auch Tote verbrannt?«
Der Inder nickte. »Es gibt noch manche Sekten, die diesem alten Ritual folgen. Da geht es vor allen Dingen um die Witwenverbrennungen, die immer mehr in der Kritik stehen.« Er hob die Schultern. »Nur kannst du nichts daran ändern, John. Unser Land besitzt eine uralte Tradition, die hat auch keine Besatzungsmacht unterdrücken können. In der letzten Zeit wird es noch schlimmer. Da besinnen sich manche Gruppen auf die alten Rituale und die Forderungen der Götter. Oft ist es auch nur ein Vorwand.«
»Das ist wohl weltweit zu erkennen.« Wir losten, wer im Fond sitzen mußte. Diesmal verlor ich. Suko stieg grinsend vorn ein. Ich klemmte mich in den schmalen Raum und kam mir vor wie der Hering in der Büchse.
Mandra startete. Stotternd sprang der Motor an. Es brannte tatsächlich nur der rechte Scheinwerfer, aber sein Licht mußte ausreichen, und innerhalb des Strahls zitterten sehr schnell die mit unzähligen Partikeln gefüllten Staubwolken.
Durch die Stadt — sie bestand auch jetzt noch aus reinem Lärm — mußten wir nicht. Unser indischer Freund kannte sich aus. Auf pistenähnlichen Straßen und Schlangenlinien fahrend, um anderen Verkehrsteilnehmern auszuweichen, näherten wir uns dem Fluß, der nicht zu sehen, dafür aber zu riechen war. Von seinen Ufern her wehte uns eine Dunstglocke entgegen, die ich gern mit den Begriffen Gestank und Moder umschreiben wollte. Es war auch nicht dunkel. Am Ufer brannten Feuer. Die Flammen zauberten ein Spiel aus Schatten und Licht nicht nur in die Luft, es wiederholte sich auch auf der Wasserfläche, so daß diese von einem geisterhaften unruhigen Leben erfüllt wurde. An den Ufern dümpelten Boote. Zumeist simple Kähne aus Holz. Nicht weit vom Restschein des Feuers entfernt und an einem flachen Hang gelegen, entdeckte ich die Umrisse zahlreicher Hütten, die kaum einem Sturm standhalten würden.
Hier verteilten sich ebenfalls die Slums. Ich konnte die Menschen verstehen, daß sie zornig auf die Reichen und Satten waren, während sie jeden Tag um die Handvoll Reis kämpfen mußten und sie oft genug nicht einmal bekamen.
Parallel zu den Hütten fuhren wir. Manchmal erschienen Gestalten im Licht des Scheinwerfers. Die Menschen reagierten unterschiedlich. Es gab einige, die uns überhaupt nicht zur Kenntnis nahmen und ignorierten, andere wiederum drohten dem Wagen mit den Fäusten. Der Fluß schlug einen Bogen nach links. Er wühlte sich der Dunkelheit entgegen, die sich im Licht des Mondes allerdings als Schlucht darstellte und bereits zu den Ausläufern der Berge gehörte.
Mandra drehte sich zu mir um. »Wir müssen kurz in die Berge hinein. Dort steht sie.«
Bangalore blieb als gewaltiger Fleck und brodelnder Kessel hinter uns zurück.
Die Einsamkeit umgab uns, bestrahlt vom Licht des Mondes, dessen Glotzauge von zahlreichen Sternen umstanden war.
Als Weg konnte ich die Strecke beim besten Willen nicht bezeichnen. Die Unebenheiten des Bodens reihten sich hintereinander wie Luftballons auf der Leine, und der aufwirbelnde Staub fraß sich auch durch jede noch so
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