Sirenenfluch
sind langsam, doch bestimmt. Er und die anderen Männer brachten Akers und Michaelson unter Deck.
Die Matrosen um mich herum schwiegen still. Ich befahl ihnen, sich wieder an die Arbeit zu begeben, was sie auch taten, wenngleich nicht ohne Murren. Diese Stimmung, die unter den Männern aufkommt, gefällt mir ganz und gar nicht. Rebellion und Befehlsverweigerung werde ich auf diesem Schiff nicht dulden. Ich werde mit Moore reden müssen, damit Akers und Michaelson ihre gerechte, wenn auch harte Strafe zeitnah bekommen.
Wenn wir noch länger auf hoher See bleiben müssen, könnte das weitaus größere Opfer fordern. Und Rebellion könnte zu einer Meuterei führen.
14. Juli
30° 20’ N, 53° 03’ W
Das Meer ist sonderbar ruhig. Zudem herrscht absolute Windstille. Man hat das Gefühl, als segele man über einen Spiegel. Ich stelle mir vor, dass wir über das Wasser gleiten wie Wasserläufer über einen stillen See. Ihre langen Beinchen berühren kaum die Oberfläche des Gewässers. Und genau so sind wir hier und warten darauf, dass endlich der Wind auffrischt.
Michaelson bekam sieben Peitschenhiebe für sein Vergehen, Akers fünf. Moore übernahm diese Aufgabe und führte sie effizient und professionell aus und ich schätze mich äußerst glücklich, einen solchen Mann als ersten Maat an Bord dabeizuhaben. Die Strafen wurden vor versammelter Mannschaft vollzogen. Michaelson schrie laut während seiner Züchtigung, über Akers’ Lippen hingegen kam kein einziger Laut. Stattdessen blickte er mich die ganze Zeit über aus seinen schmalen Rattenaugen an. Sein Schweigen wirkte nicht weniger eigenartig als die atemlosen Winde und jagte mir wahrlich einen Schauer über den Rücken. Dennoch wagte ich nicht, den Blick von ihm abzuwenden, wäre mir dies doch von meinen Männern als Schwäche ausgelegt worden.
Als die Schläge vorüber waren, stieß Braithwaite mich im Vorübergehen leicht mit dem Ellbogen an, ohne sich zu entschuldigen. Ich wies ihn daraufhin zurecht, doch der Ausdruck in seinen Augen gefiel mir ganz und gar nicht.
Mitunter kann ich die finsteren Blicke meiner Männer im Nacken spüren und ich fürchte, sie haben noch immer nicht vergessen, was damals mit Hawken geschah. Sie nehmen es mir nach wie vor übel und misstrauen mir.
Sie würden gut daran tun, sich dieser Lektion zu entsinnen. Niemand ist wichtig genug, um das Wohl des gesamten Schiffs zu gefährden.
Niemand.
16. Juli
39° 20’ N, 55° 45’ W
Noch immer kein Wind. Wenn wir nicht sehr bald von der Stelle kommen, werde ich die Rationen weiter kürzen müssen. Mit etwas Glück finden wir noch eine kleine Insel, auf der wir unsere Trinkwasservorräte auffüllen können. Den Zorn meiner Männer hingegen wünsche ich nicht erneut zu entfachen.
21. Juli
39° 20’ N, 59° 39’ W
Die Rationen wurden um die Hälfte gekürzt. Unter den Männern herrschen gleichermaßen Untätigkeit und Müdigkeit, gibt es doch an Bord eines Schiffes, das in eine Flaute geraten ist, nicht sonderlich viel zu tun. Die Untätigkeit lässt ihre Knochen ermüden.
23. Juli
40° 01’ N, 63° 52’ W
Es kommt Bewegung in die See und es weht nun eine steife Brise. Ich spüre, wie sich die Stimmung meiner Männer hebt wie ein dunkler Vorhang.
27. Juli
40° 40’ N, 65° 43’ W
Heute Abend klopfte es mehrmals kräftig an meine Tür. Als ich öffnete, stand Moore vor mir und bei ihm war Akers. Akers war vollkommen außer sich und schrie, wir müssten »das Mädchen retten«. Ich sah Moore an, in der Hoffnung, von ihm eine Erklärung zu bekommen, doch er meinte bloß, dass er kein vernünftiges Wort aus Akers herausbekäme. Akers erzählte aufgebracht, er hätte im Wasser ein Mädchen gesehen – und dass wir es retten müssten. Wir eilten an Deck und zur Steuerbordseite, wo Akers im fahlen Mondlicht das Mädchen gesehen hatte. Doch als wir unseren Blick über das Meer schweifen ließen, sahen wir nichts als Wasser und über uns den mondhellen Himmel.
Akers suchte das Wasser mit den Augen ab, als erwarte er, dass das Mädchen wieder auftauchte. Moore sah mich an und ich wusste genau, dass er und ich denselben Gedanken hatten. Wir befanden uns meilenweit vom nächsten nennenswerten Ufer entfernt. Wie hätte ein Mädchen so weit hinaus aufs offene Meer gelangen sollen, ganz allein, ohne irgendein anderes Schiff in Sicht? Akers hatte offenbar den Verstand verloren. Da wir jedoch bereits einen Mann zu wenig an Bord haben, entschied ich mich
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