SISSI - Die Vampirjägerin
Kaiser!«
»Sprich nicht im Telegrammstil, Liebes, das schickt sich nicht.«
»Verzeih, Mutter.«
Prinzessin Ludovika legte eine Hand auf das Treppengeländer. Sissi sah, wie ihr Blick an der Schlafmütze ihres Mannes hängen blieb.
»Was ist mit deinem Kopf?«
Herzog Max räusperte sich. »Was soll damit sein? Erzählt mir lieber von dieser Einladung des Kaisers.«
Prinzessin Ludovika öffnete den Mund, aber ihre Tochter kam ihr zuvor. Ihre Stimme zwitscherte wie eine Lerche.
»Der Brief stammt von Tante Sophie.«
Ihre Mutter verzog das Gesicht. Wenn die Familie allein war, nannten sie die angebliche Mutter des Kaisers nie »Tante«, aber im Treppenhaus, umgeben von Dienstboten, mussten sie den Schein waren.
»Sie sagt, der Kaiser wünsche mich, also uns alle, in seiner Sommerresidenz zu sehen«, fuhr Néné fort. »So schnell wie möglich.«
Sissi holte tief Luft. »Oh Néné«, flötete sie dann aus vollem Herzen, während sie die Stufen hinunterlief. »Wie wundervoll! Ich freu mich so für dich.«
»Ich kann es selbst kaum fassen.« Néné umarmte sie.
Aus den Augenwinkeln sah Sissi Frau Huber und Josef, den Gärtner, im Eingang stehen. Sie grinsten und lachten, als wären es ihre eigenen Töchter, die zum Kaiser von Österreich eingeladen worden waren. Manchmal fragte sich Sissi, ob die Dienstboten nicht vielleicht ebenso nur Theater spielten. Der Gedanke verwirrte sie.
»Wann fahren wir?«, fragte sie, um sich abzulenken.
» Du fährst überhaupt nicht«, erklärte ihre Mutter. »Die Einladung richtet sich ausschließlich an Néné und mich.«
»Was?«, stieß Sissi hervor. Sie glaubte, Genugtuung in den Augen ihrer Schwester aufblitzen zu sehen, doch einen Lidschlag später stand nur noch Bedauern darin.
»Oh, wie schade«, sagte Néné. »Ich hatte gehofft, wir würden alle fahren.«
Ihr Vater kam die letzten Stufen herunter und blieb neben seiner Frau stehen. »Ich reiße mich nicht darum. Von mir aus könnt ihr fahren. Dann gehen Sissi und ich auf die Jagd.«
Doch Sissi konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen. »Aber ich will mit«, sagte sie.
»Wir werden beim Frühstück darüber sprechen, Sissi.« Ihre Mutter zeigte auf die Tür des Speisesaals. Es war der einzige Raum, zu dem die Dienstboten nur Zutritt hatten, wenn die Familie ihn nicht benutzte. Die Türen und Wände waren so dick, dass kein Laut hinausdrang.
Sissi ging als letzte hinein und schloss die Tür. Das Frühstück war bereits aufgetragen, aber die Buben saßen noch nicht an ihren Plätzen. Sie schliefen meistens länger als der Rest der Familie.
»Du wirst nicht mitfahren«, sagte Prinzessin Ludovika, kaum war die Tür ins Schloss gefallen.
Sissi lehnte sich an das Holz. »Aber warum denn nicht?«
»Weil …«, begann ihr Vater, während er sich an seinen Platz am Kopfende des Tischs setzte, »… ich es dir zutrauen würde, der alten Vettel Sophie einen Pflock ins Herz zu rammen, bevor sie ›Guten Morgen, Elisabeth, wie geht es dir?‹ sagen kann.«
Sissi schüttelte den Kopf. »Das würde ich nie tun. Ich kann mich beherrschen.«
»Dass du das nicht kannst, haben wir ja gestern Nacht gesehen.« Ihr Vater wollte die Mütze zurückschieben, besann sich dann aber eines Besseren und griff stattdessen nach einem Wasserkrug.
»Was soll das heißen?«, fragte seine Frau. »Was ist gestern Nacht geschehen?«
»Nichts.« Sissi seufzte. »Vater hat mich geprüft und ich habe bestanden.«
»Du hast dich kindisch verhalten.« Herzog Max wirkte genervt. Sissi vermutete, dass er Kopfschmerzen hatte. »Und bis sich das ändert, können wir deinen Worten nicht trauen.«
Es klang, als stamme das aus dem Mund ihrer Mutter. Sissi fühlte sich im Stich gelassen. »Aber …«, begann sie, doch ihr Vater ließ sie nicht ausreden.
»Keine Diskussionen«, sagte er. »Du und ich bleiben hier bei den Buben. Néné und deine Mutter fahren nach Österreich.«
Prinzessin Ludovika nickte. »So wird es gemacht. Wir haben noch viel vorzubereiten, aber bevor wir damit beginnen, möchte ich endlich wissen, was mit deinem Kopf ist, Max.«
Sissi hörte den Ausflüchten ihres Vaters nicht zu, sondern blieb mit vor der Brust verschränkten Armen an der Tür stehen.
Ich werde fahren, dachte sie. Und ich werde niemanden pfählen, noch nicht einmal versehentlich. Ich werde allen beweisen, dass man mir vertrauen kann.
Der Tag verging quälend langsam. Während ihre Mutter und ihre Schwester Reisevorbereitungen trafen, lag Sissi auf dem altrosa
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