SISSI - Die Vampirjägerin
soll das heißen?«, fragte sie. »Wieso riechst du nach …«
Ihr Vater schnitt ihr das Wort ab. »Herrgott noch mal, Sissi, weil sie so ist wie die Buben!«
Etwas schien plötzlich in Sissis Kehle zu stecken, ihr Magen begann zu schmerzen. »Sie ist …«, es fiel ihr schwer, die Worte auszusprechen, »… sie ist zur Hälfte Vampir?«
Néné nickte.
Sissi kam es vor, als säße plötzlich eine Fremde vor ihr. »Dann sind wir nicht verwandt?«, fragte sie. »Bist du aufgenommen worden, so wie die Buben?«
»Ihr habt dieselbe Mutter«, erklärte Herzog Max, »nur nicht denselben Vater.«
»Dann …« Sissi wagte es kaum, den Gedanken zu Ende zu führen. Dass ihre Mutter mit einem Vampir … verkehrt hatte, erschien ihr unglaublich. »Wer ist der Vater?«, fragte sie schließlich, weniger aus Interesse als aus dem Bedürfnis heraus, die Stille zu beenden.
»Das wurde mir bislang nicht mitgeteilt«, sagte Néné gepresst. Das Thema schien ihr unangenehm zu sein.
Verständlich, dachte Sissi. Ihre Augen weiteten sich plötzlich. »Aber es ist nicht Franz-Josef, oder?«
»Natürlich nicht.« Empört schüttelte Herzog Max den Kopf. »Glaubst du wirklich, ich würde meine eigene Tochter zur Heirat mit ihrem Vater …« Er unterbrach sich. »Ach, ihr wisst schon, was ich meine.«
Néné sah Sissi an. »Verstehst du jetzt, weshalb ich dir sagte, ich könnte Dinge, die du nicht kannst?«
»Ja.« Mehr brachte sie nicht heraus. Sissi war zu verwirrt, zu schockiert, um alles verarbeiten zu können, was sie hörte. Mit weichen Knien stand sie auf. »Ich werde jetzt auf mein Zimmer gehen und ungarische Vokabeln lernen.«
Ihr Vater und ihre Schwester warfen sich einen kurzen Blick zu.
»Soll ich dich nachher abhören?«, fragte Néné.
»Vielleicht, ich weiß nicht.« Sissi schloss die Tür hinter sich. Einen Moment lang blieb sie an das kühle Holz gelehnt stehen. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander wie Blätter in einem Herbststurm. Erst Franz-Josef, nun auch noch Néné. Je mehr Sissi von der Welt erfuhr, desto weniger gefiel sie ihr. Am liebsten hätte sie sich auf ihr Pferd geschwungen, wäre losgeritten und nie wieder zurückgekehrt.
Ihre Schwester die Tochter eines Vampirs, eine Missgeburt, so wie die Buben, die sie so argwöhnisch belauerten. Vielleicht hatte Prinzessin Ludovika sie deshalb bei sich aufgenommen, als Sophie sie ihr brachte. Schwächlich und zurückgeblieben, nicht reif für das Leben in einem Palast, hatte man sie beschrieben, dabei war jedem klar gewesen, dass die Buben aus unheiligen Verbindungen entstanden waren. Sie trugen den Keim eines Ungeheuers in sich, der sich eines Tages vielleicht entfalten würde. So wie bei ihrer Schwester.
Sie ist immer noch der gleiche Mensch … die gleiche Person, zwang sich Sissi zu denken. Sei nicht ungerecht zu ihr.
Sie drehte sich um, schluckte und öffnete die Tür. Ihre Schwester und ihr Vater unterbrachen ihr Gespräch.
»Néné«, sagte Sissi. Sie war froh über den ruhigen Klang ihrer Stimme. »Ich würde mich freuen, wenn du mich nach dem Mittagessen abhören würdest.«
Néné lächelte.
KAPITEL FÜNFZEHN
Nicht alle großen Herrscher und Eroberer der Welt waren Vampire. Im Gegenteil, bei einigen der bedeutendsten handelte es sich um Menschen, die von Vampiren entweder geduldet wurden oder sich trotz ihrer nach oben arbeiteten. Julius Caesar ist ein Beispiel für einen geduldeten Menschen, während Dschingis Khan sich durch ihre Reihen morden musste, um sein Ziel zu erreichen. Bei anderen berühmten Figuren der Geschichte wissen wir einfach nicht, welcher Spezies sie zuzuordnen sind. Ein beliebtes Streitobjekt ist Alexander der Große, den selbst die damaligen Kinder Echnatons nicht einwandfrei zuordnen konnten. Und das ist bis zum heutigen Tage so geblieben.
– Die geheime Geschichte der Welt von MJB
Ferdinand zog den Chinesen hinter sich her wie ein kleiner Junge eine Lumpenpuppe.
»Der ist ganz schön zäh«, sagte Karl, als er ihm in die Kutsche half.
»Und wohlschmeckend.« Ferdinand lehnte den fast bewusstlosen Mann an die gepolsterte Kutschenwand. Dann setzte er sich. Sein riesiger Kopf wackelte auf dem dürren Hals.
Franz-Josef wartete, bis auch Karl eingestiegen war, dann nahm er die beiden Metallsprossen und schloss die Kutschentür hinter sich. Nur noch der Platz neben Sophie war frei.
Natürlich, dachte er resignierend und setzte sich.
»Wir hätten wesentlich mehr Platz, wenn du deinen Chinesen nicht mitnehmen
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