SISSI - Die Vampirjägerin
müsstest.«
»Aber auch wesentlich weniger Freude.« Ferdinand legte dem Mann eine Pferdedecke über die zitternden Beine. »Er bereichert meine Existenz.«
Franz-Josef hörte, wie der Kutscher mit der Zunge schnalzte, dann setzte sich das Gefährt in Bewegung. Rund dreißig Kutschen, Wagen und Karren waren vor zwei Tagen in Bad Ischl aufgebrochen, doch dank der unterschiedlichen Geschwindigkeiten hatten sich das Feld rasch auseinandergezogen. Die Reise nach Wien war lang und Sophie ungeduldig. Bereits nach wenigen Stunden hatte sie beschlossen, sich nur mit einem kleinen Trupp Leibwächter vom Rest der Reisenden abzusetzen.
Franz-Josef kam das gelegen. Je früher sie im Palast ankamen, desto eher konnte er alles für Sissis Eintreffen vorbereiten.
»Was machen wir mit den Wölfen?«, fragte er über das Rumpeln der Räder hinweg. »Wir müssen sie wenigstens aus meinem Trakt entfernen, sonst läuft Sissi noch in einen hinein.«
»Das wäre peinlich«, meinte Karl, ohne den Blick von Ferdinands Chinesen zu nehmen.
Die Halsschlagader des Menschen war selbst in der Dunkelheit deutlich zu sehen. Obwohl sie nur bei Nacht reisten und die Tage in sorgfältig ausgesuchten Herbergen verbrachten, hatte Sophie darauf bestanden, die Fenster mit schwarzem Stoff abzuhängen.
Sie hob kurz die Schultern. »Was du in deinem Trakt machst, interessiert mich nicht, aber meiner bleibt unangetastet. Sie hat dort nichts zu suchen, mach ihr das klar.«
»Ja, Sophie.« Franz-Josef lehnte sich in die Polster zurück. Er kannte Sissi noch nicht wirklich gut, war sich aber sicher, dass das nicht einfach sein würde.
Sie hat ihren eigenen Kopf, dachte er, bevor er sich in Tagträumereien verlor. Er stellte sich das Zusammenleben mit Sissi vor – wie sie gemeinsam im Bett lagen, frühstückten, wie sie zusammen einschliefen, aufwachten und den Tag mit einem Ausritt begannen. Alles würden sie gemeinsam tun, nie wollte er von ihr getrennt sein.
Er zuckte zusammen, als die Realität mit langen Schritten in seinen Traum marschierte. Nichts von dem wird so sein, sagte sie, du wirst dich von ihr fernhalten, dich nachts heimlich aus ihrem Bett schleichen, um zu trinken, Ausreden erfinden, damit sie nicht merkt, dass du den Tag verschläfst und die Sonne meidest. Du bist ein Vampir, und sie ist ein Mensch. Ihr habt keine Gemeinsamkeiten.
Franz-Josef öffnete die Augen. Sophie war neben ihm eingeschlafen, Ferdinand stützte seinen Kopf auf die Schulter des Chinesen und schnarchte. Nur Karl war wach. Mit einer Hand hatte er die Vorhänge einen Spalt auseinandergeschoben und blickte hinaus in die Nacht.
»Du warst doch schon mit Menschenfrauen zusammen, oder?«, fragte Franz-Josef leise.
Neben ihm seufzte Sophie im Schlaf.
Karl drehte den Kopf und sah ihn an. »Das stimmt, aber ich war auch mit Vampirinnen zusammen, falls du meine Männlichkeit infrage stellen möchtest oder darüber nachdenkst, ob mit deiner alles in Ordnung ist.«
Franz-Josef runzelte die Stirn. »Nein, daran habe ich nicht gedacht.«
»Gut. Die Frage wird nur sehr häufig gestellt.«
»Ich möchte etwas anderes wissen.« Franz-Josef beugte sich vor und sprach noch leiser. »Hast du je einer gesagt, was du bist?«
Karl ließ den Vorhang los. Der Spalt, durch den Sternenlicht sein Gesicht erhellt hatte, schloss sich. »Ich habe ihnen gesagt, was ich in dem Moment gewesen bin – ein König, ein Prinz, ein General. Mehr war nie nötig.«
»Wolltest du ihnen auch nie mehr sagen?«
Franz-Josef und Karl standen sich nicht nahe, aber in diesem Moment kam der ältere Vampir dem Vater, den er vor so langer Zeit verloren hatte, am nächsten. Ein solches Gespräch mit Sophie zu führen, wäre unmöglich gewesen, und Ferdinand war selbst an seinen klaren Tagen seltsam.
Karl zog die Lippen zusammen. »Du willst meinen Rat wegen Sissi«, sagte er, ohne es als Frage zu formulieren.
Franz-Josef nickte.
»Also gut, dann werde ich ihn dir geben. Lass es!« Er wandte sich ab und öffnete den Spalt im Vorhang. Sternenlicht ließ seine Augen funkeln.
Franz-Josef stützte die Ellbogen auf die Knie. »Aber wäre nicht alles viel einfacher, wenn sie es wüsste? Sie könnte ihren Rhythmus dem meinen anpassen. Ich müsste keine Ausreden erfinden und sie nicht anlügen. Sie …«
»Menschen verändern sich, wenn sie von uns erfahren.« Karl unterbrach ihn, ohne den Blick von der Nacht abzuwenden. »Sie fürchten und beneiden uns. Sie beginnen zu lügen, um zu bekommen, was wir haben.
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