SISSI - Die Vampirjägerin
der stöhnend und wimmernd vor Seiner Eminenz auf die Knie fiel und ihm seine herausgerissenen Augen reichte. Ein wilder Vampir nahm sie ihm ab. Edgar versuchte dessen Hände zu küssen, dachte wohl, es wäre Seine Eminenz, aber der Vampir fauchte ihn nur an.
Ludwig erbrach rotes Zofenblut, als er sich die Finger in die Augenhöhlen steckte, Pierre umarmte den blinden Edgar, bevor auch er den Befehl befolgte.
Franz-Josef wich zurück. Die Verzögerung seiner Reaktionen ließ nach. Ob Seine Eminenz sie aufgehoben oder ob sie nur eine Nachwirkung des Betörens gewesen war, konnte er nicht sagen.
Er suchte nach einem Ausweg, nach einer Gelegenheit zur Flucht, aber wilde Vampire bewachten die Türen und stießen alle, die sich ihnen näherten, weg.
Wohin Franz-Josef auch blickte, leere Augenhöhlen starrten zurück. Vampire tasteten sich an den Wänden entlang, schlurften mit unsicheren Schritten aufeinander zu, prallten gegeneinander, gegen Stühle, Tische und Eimer voller Schnee. Ein paar warfen sie um. Weißer Schnee vermischte sich mit schwarzem Vampirblut. Wilde Vampire liefen zwischen ihnen hindurch und sammelten Augäpfel ein wie bei einer Kollekte beim Sonntagsgottesdienst.
Franz-Josef hob die Hände, versuchte sich vorzustellen, wie er seine eigenen Augen herausriss, und ließ sie wieder sinken.
Ich kann es nicht, dachte er.
Seine Eminenz schritt durch den Saal, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Über hundert Vampire hatten seine Helfer in den Saal gebracht und mit Erschrecken bemerkte Franz-Josef, dass er niemanden mehr sah, in dessen Augenhöhlen sich etwas anderes als schwarzes Blut befand.
Oh Gott, ich bin der Letzte.
Seine Eminenz stieg über Ludwig hinweg, der am Boden hockte und die Hände vors Gesicht geschlagen hatte, und setzte seinen Weg fort. Noch hatte er Franz-Josef nicht bemerkt, aber er kam unaufhaltsam näher.
Ich habe Ludwig immer für schwach gehalten, dachte Franz-Josef, während er weiter zurückwich und sich hinter zwei blinden Vampiren, die reglos wie Statuen im Saal standen, verbarg. Aber er hatte den Mut zu tun, was ich nicht fertigbringe.
In diesem Moment roch er sie.
Sissi?
Er fuhr herum. Kühler Wind strich über seine Wange. Irgendwo musste jemand ein Fenster geöffnet haben oder eine Tür. Sein Blick glitt über die Wände. Um sich herum steigerte sich das Stöhnen und Wimmern. Noch immer sprach niemand, als hätten die Vampire mit ihrem Augenlicht auch die Fähigkeit verloren, zu sprechen. Doch sie hoben die Köpfe und blähten die Nasenflügel. Sie rochen Mensch.
Natürlich schweigen sie, dachte Franz-Josef. Sie können sich nicht sehen. Jeder von ihnen glaubt, die anderen hätten nichts bemerkt.
Er sah sich um, versuchte dem, was er roch und spürte, eine Richtung zu geben, doch erst, als er den Blick zum dritten Mal auf eine Stelle an der Wand zwischen zwei Stuhlstapeln richtete, bemerkte er den Spalt – und sah Sissis Kopf. Bleich starrte sie auf den Anblick, der sich ihr bot. Ihr Mund stand offen.
Franz-Josef drehte sich um. Seine Eminenz war keine zehn Schritte mehr von ihm entfernt, hockte sich gerade vor Ludwig und zog ihm die Hände vom Gesicht. Als er die leeren Augenhöhlen sah, legte er ihm die Hand auf den Kopf wie bei einer Segnung.
Franz-Josef wandte sich ab. Schlurfend und unsicher, so wie die anderen um ihn herum, bewegte er sich dem Spalt entgegen. Er war nicht der Einzige. Immer mehr Vampire drehten sich nach Sissi um, streckten die Hände aus und tasteten sich in ihre Richtung. Von einem Menschen zu trinken, bedeutete ein Ende der Schmerzen und die Rückkehr des Augenlichts. Jeder, der sich der Prüfung, wenn es denn eine war, unterzogen hatte, gierte nach nichts anderem. Franz-Josef hörte es in ihrem Stöhnen, sah es in ihren schmerzverzerrten Gesichtern.
Er schob sich an zwei dicken russischen Vampiren, einem Mann und einer Frau, vorbei. Die Frau fauchte wütend und schlug nach ihm, als ahne sie, dass er ihr zuvorkommen wollte.
Nun hob auch einer der wilden Vampire den Kopf. Wären sie nicht abgelenkt gewesen, hätten sie Sissi schon viel früher bemerkt. Sie schien die Gefahr zu erkennen, denn ihr Kopf verschwand hinter der Tür. Nur der Spalt war noch zu sehen.
»Anscheinend«, ertönte plötzlich die Stimme Seiner Eminenz, »schätzt du dein Augenlicht mehr als deine Loyalität, Junge.«
Franz-Josef drehte sich nicht zu ihm um, setzte stattdessen zu einem Sprung an, der ihn direkt zur Tür brachte. Aus den Augenwinkeln sah
Weitere Kostenlose Bücher