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Sisters of Misery

Titel: Sisters of Misery Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Kelley Hall
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hatte sich hartnäckig geweigert, und Maddie verfolgte mit wachsender Sorge, wie ihre Tante mit jeder Stunde und jedem Tag, der verging, ohne dass Cordelia zurückkehrte, blasser und apathischer wurde.
    Sie blieb einen Moment vor dem Laden stehen und beobachtete ihre Tante durch die Schaufensterscheibe. Sie war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Ihre Augen lagen in tiefen Höhlen, und sie hatte den wunden, abwesenden Blick, den Menschen haben, denen großes Leid widerfahren ist. Die wunderschönen roten Haare, die ihr sonst immer wie schimmernde Seide über die Schultern gefallen waren, hingen ihr strähnig und glanzlos ins Gesicht. Und ihre Arme waren von den Dornen der Rosen, die sie ständig neu arrangierte, zerkratzt. Es waren Bluebird Rosen - Cordelias Lieblingsblumen -, die zart lavendelfarben leuchteten und unglaublich süß dufteten. Seit Simon LeClaire einmal gesagt hatte, dass sie genau die gleiche Farbe wie die bestürzend schönen Augen seiner Tochter hätten, liebte sie diese Blumen.
    Wenn Rebecca nicht nach ihrer Tochter suchte, verbrachte sie Tag und Nacht damit, kunstvolle und farbenprächtige Sträuße zu binden, die immer auch Bluebird Rosen enthielten.
    Die schaurig-schönen Blumenkreationen der verzweifelten Mutter, die darauf wartete, dass ihre Tochter zurückkehrte,
sprachen sich in Hawthorne bald herum und lockten täglich etliche Neugierige an, die sich die prächtigen Gebinde durch das Schaufenster ansahen. Rebecca bekam davon kaum etwas mit - die Arbeit mit den Blumen war für sie zu einer Art Therapie geworden und ersetzte die Rituale, die sie seit Cordelias Verschwinden aufgegeben hatte. Essen, Trinken, Schlafen, all diese Dinge existierten nur noch in Rebeccas Erinnerung.
    Mit geschickten Händen stellte sie die Blumen zu wahren Kunstwerken zusammen, die einerseits bizarr, andererseits von vollkommener Schönheit waren. Als Maddie ihre Tante durch das Fenster beobachtete, sah sie eine Frau, die ihren Lebenswillen verloren hatte und nur noch existieren konnte, indem sie unaufhörlich Blumen arrangierte. Wieder grübelte sie über Cordelias Verschwinden nach, kam aber wie jedes Mal zu dem Schluss, dass Cordelia ihre Mutter niemals willentlich so einem Kummer ausgesetzt hätte.
    Als Maddie den Laden betrat, sah ihre Tante zwar auf, doch ihr Blick schien direkt durch sie hindurchzugehen. »Lass uns nach Hause gehen, Rebecca«, sagte Maddie liebevoll.
    Â»Nach Hause«, erwiderte Rebecca, und es klang fast wie eine Frage. Sie wiederholte die beiden Worte, als müsste sie sich ihrer Bedeutung erst klar werden.
    Â»Ja.« Maddie wusste nicht, wie sie mit der Frau umgehen sollte, die sie so sehr bewundert hatte und die ihr immer wie eine Leinwanddiva erschienen war, während sie jetzt mit ihren eingefallenen Wangen und den dunklen Ringen unter den glasigen Augen eher einer Darstellerin in einem Horrorfilm ähnelte. »Tess hat mich gebeten, dich abzuholen, damit du dich ein bisschen von uns umsorgen lassen kannst. Cordelia würde sich bestimmt wahnsinnige Sorgen machen, wenn sie wüsste, wie es dir geht.«
    Â»Nach Hause!« Rebecca schluchzte auf. »Genau das ist es doch. Wir hätten niemals von zu Hause weggehen sollen!
Dann wäre Cordelia noch bei mir und alles wäre gut. In Kalifornien wären wir zwar arm gewesen und hätten von der Hand in den Mund gelebt, aber wir wären zusammen gewesen. Diese Stadt, dieser schreckliche Ort hat sie mir weggenommen. Und was bleibt mir jetzt? Nichts! Ich habe meinen Simon verloren, meine Cordelia, mein Leben! Verloren. Einfach verloren. Und alles, was ich noch habe, ist das hier.« Rebecca wies mit einer ausholenden Armbewegung auf den Laden. »Dieser kleine Laden ist der letzte Ort, an dem ich mein kleines Mädchen gesehen habe. Und ich werde nicht eher von hier fortgehen, bis sie wieder nach Hause kommt.« Sie starrte aus dem Fenster in die Dämmerung hinaus und flüsterte mit einem bitteren Lächeln: »Nach Hause!«
    Als Maddie bewusst wurde, dass Rebecca Cordelia das letzte Mal tatsächlich hier im Laden gesehen hatte, verstand sie, warum ihre Tante sich weigerte, ihn zu verlassen. Es war, als versuche sie, die Zeit zurückzudrehen, im Buch des Lebens ein paar Seiten zurückzublättern bis zu der Stelle, an der Cordelia noch bei ihnen gewesen war, fröhlich und mit einer leuchtenden Zukunft vor sich. Maddie hätte die Zeit selbst gern

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