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Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition)

Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition)

Titel: Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Tobor
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Stärken gefragt. In Polen hat man einen Antrag auf Arbeit gestellt und hatte den Job. Die müssen doch kapieren, dass ich was kann. Ich habe schließlich studiert.«
    »Dann tu nicht so bescheiden!«, sagte Mama. »In Polen war das vielleicht eine Tugend, hier steht es dir nur im Weg.«
    Papa hatte schon mehrere Vorstellungsgespräche erfolglos hinter sich gebracht. Hinterher hat er uns immer erzählt, wie sie gelaufen waren. Wenn ein Arbeitgeber auf seine guten Abschlussnoten zu sprechen kam, behauptete Papa, die hätten nichts mit seinem Können zu tun. Dass er in der Schule Russisch gelernt hatte, gab er zu; dass er sich selbst Englisch beigebracht hatte, verschwieg er. Nach seinen persönlichen Interessen befragt, zuckte er nur mit den Schultern, als hätte er die Frage nicht verstanden. Warum sollte es einen Arbeitgeber interessieren, dass er gern Bücher über die Funktionsweise von Computern las, wenn er am Ende bloß Fernseher reparieren würde?
    »Ich hoffe, dass wir nächstes Jahr endlich eine richtige Wohnung bekommen«, sagte Mama. »Ein Zimmer für jeden, das wäre ein Traum. Vielleicht sogar ein kleiner Balkon? Es war ja schön hier, als wir eingezogen sind und alles neu und frisch war, aber wenn ich ehrlich bin, habe ich langsam die Nase voll von …«
    »Ogóreks?«, ergänzte Papa niedergeschlagen.
    »Pst!«, zischte Mama. »Die Wände sind aus Papier.«
    Nicht erst seit die Ogóreks uns das Gemälde geschenkt hatten, war Mama ihrer überdrüssig. Dorota schleppte ständig neue Teppiche vom Sperrmüll an, auch wenn sie stanken wie ein nasser Hund. Manchmal klopfte sie mitten in der Nacht an unsere Türe, um sich ein Ei zu leihen. In der Küche salzte sie ungefragt unsere Suppe nach. Mama war mit den Nerven am Ende: »Ich mache die Tür auf – Ogórkowa. Ich schaue aus dem Fenster – Ogórkowa. In meinen Träumen – Ogórkowa. Ich traue mich kaum noch, eine Konservendose zu öffnen.«
    Als die Anzeige auf dem braunen Radiowecker auf 20:00 Uhr sprang, rückte ich mir die Krone auf dem Kopf zurecht. Ausnahmsweise hatte Mama mir erlaubt, mir was anzuziehen, für das nur der Ausdruck »ekstra!« passend erschien: ein pastellfarbenes, von Silberfäden durchzogenes Kleid mit gerafften Puffärmeln, dessen »Made in China«-Aufdruck seine umwerfende Eleganz bezeugte. Dazu trug ich meine neuen Sonntagsschuhe aus schwarzem Lack, auf die ich besonders stolz war, weil sie im Gehen klackten wie die Absätze von Oma Greta.
    Im Flur verkündeten die Gerüche von Rasierwasser, Haarspray und billigem Parfüm den baldigen Aufbruch und Frau Ogórkowa schrie letzte organisatorische Anweisungen über den Gang: »Damian! Brauchen wir noch Saft von Orange!« Und: »Musst du mehr Konfetti machen, Isa!«
    Der Ball hatte bereits begonnen, als ich mit meiner Mutter in den Partyraum trat. Der Boden kringelte sich förmlich vor lauter Luftschlangen, und oben hingen von zwei Schnüren, die sich unter einer kleinen Disco-Kugel kreuzten, unzählige bunte Luftballons. Die Gäste gruppierten sich in den Ecken und pickten Erdnüsse aus kleinen Schüsseln. Auf der Fahrt nach Deutschland der Inbegriff von »Lux!«, sorgten gesalzene Erdnüsse bei mir nur noch für milde Enttäuschung. Wo waren die wirklich leckeren Sachen?
    »Huhu! Kuckuck! Hier sind wir!«, hörte ich Isaura aus der Menge rufen und versuchte sogleich, sie zwischen Schmatzgeräuschen und glänzenden Nylonwaden ausfindig zu machen. Ich entdeckte ihre zappelnde Gestalt an der Bar, hinter der Frau Dorota die Eiswürfel rappeln ließ. Isaura hatte sich zwei rote Kreise auf die Wangen gemalt. Ihre Mutter trug als einzige Frau auf der Party keinen Rock, sondern einen pinken Overall mit Schulterpolstern und unvorstellbar breitem Gürtel. Ihre Frisur erinnerte an das Kopfgefieder eines Kakadus, und zum ersten Mal fiel mir auf, dass sie eigentlich jeden Tag wie verkleidet aussah.
    »Alexis!«, schrie Dorota. »Lux siehst du aus. Alles gut?«
    »Warum sind hier so viele Leute?«, fragte ich.
    »Bekannte von uns!« Dorota goss ihr Saft-Martini-Gemisch in Gläser, die mit Frauen in knappen Bikinis bedruckt waren.
    Dass ich Bajtek noch nicht erspäht hatte, machte mich unruhig. Schließlich hatte ich mir nur für ihn so viel Mühe mit meiner Krone gegeben. »Wo ist eigentlich Bajtek?«, fragte ich Dorota, die bestimmt zu beschäftigt war, um sich über meine Frage zu wundern.
    »Macht mit Locher Konfetti!«, krächzte sie. »Kannst du zu ihm gehen und helfen, haben wir noch

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