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Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition)

Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition)

Titel: Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Tobor
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geworden. Wir ziehen um! Jetzt können wir endlich wieder ein normales Leben führen.«
    Meine Eltern und ich fuhren zur Wohnungsbesichtigung und Schlüsselübergabe in die 10 Kilometer entfernte Nachbarstadt. Fünf ziegelrote Mehrfamilienhäuser ragten aus der Idylle schmucker Reihenhäuschen mit gepflegten Vorgärten heraus. Auf der anderen Seite des Hauses, da, wo die Balkone waren, wuchsen drei schöne große Tannenbäume in den Himmel. »Wundervoll. Einfach wundervoll«, schwärmte Mama. Von der Straßenecke aus konnte man die Waggondächer einfahrender Züge sehen. »Und dazu noch die gute Verkehrsanbindung. Ein Traum!«
    Nachdem wir mehrere Runden verzückt um den Block spaziert waren, klingelten wir endlich bei Frau Bützchen. »Dritte Stock!«, sagte eine Männerstimme durch die Fernsprechanlage.
    Im Treppenhaus roch es zitronenfrisch. Ein Stockwerk war mit Porträts trauriger Hunde behängt, ein anderes von Kakteen überwuchert. In der dritten Etage schließlich machten wir halt. Die Tür zur leeren Wohnung war nur angelehnt, und von drinnen konnten wir Schritte und eine deutsch sprechende Stimme vernehmen.
    »Hallo? Ist da jemand?« Papa klopfte leise an die Tür, bevor er vorsichtig den Kopf durchsteckte.
    »Iberraschunck!«, hallte es allzu vertraut heraus. Mama zuckte zusammen. Mittendrin in der neuen Wohnung, links und rechts von der Frau, die Irene Bützchen sein musste, standen Damian und Dorota Ogórek.
    »Was macht ihr denn in unserer Wohnung?«, stieß Mama fassungslos hervor.
    »Ist nicht eure Wohnung, ist unsere Wohnung!«, entgegnete Dorota frech.
    »Nein, das ist unsere«, beteuerte Mama. »Zeig ihnen die Zuweisung, Paweł.« Während Papa in seiner Herrenhandtasche nach dem Schreiben suchte, hob Damian seinen Pullover und zog hinter dem Hosengürtel einen Zettel hervor, den er gemütlich schmatzend auseinanderfaltete.
    »Kollege, hab ich selbst Zuweisung dabei, schau.« Papa stellte sich neben Damian, damit sie die Schreiben miteinander vergleichen konnten. Und tatsächlich: Die Briefe waren identisch, die Anschriften auch. Nur dass der eine Brief an Ogóreks adressiert war und der andere an uns. Frau Bützchen zuckte ahnungslos mit den Schultern.
    »Da muss doch eine Verwechslung vorliegen!«, erregte sich Mama. »Irgendein Irrtum!«
    »Wann hast du Brief bekommen?«, fragte Dorota.
    »Vorgestern, um 11 Uhr, da hab ich ihn aus dem Briefkasten geholt.«
    »Ah, da siehst du«, krächzte Dorota siegessicher. »Und ich habe schon bekommen um halb 11. Ist also meine Wohnung.«
    Ich hörte Mama tief Luft holen.
    »Das ist eine Katastrophe. Wir müssen die Wohnungsgesellschaft informieren.«
    Als Oma zu Hause von dem Zwischenfall erfuhr, geriet sie außer sich.
    »Dieser kopflosen Gans werde ich alle Federn aus dem Hintern rupfen!«, schimpfte sie und schüttelte ihre sehnige Faust.
    »Bitte nicht«, flehte Mama. »Nach allem, was die Ogóreks für uns getan haben, nein, das wäre nicht angebracht.«
    Omas Augäpfel traten aus ihren Höhlen. »Was, du willst der Verrückten ein Leben lang dafür dankbar sein, dass sie dir fünf stinkende Teppiche ins Zimmer gerollt hat? Oder ist es dieses abscheuliche Ölgemälde, das dir so viel Loyalität abtrotzt?«
    »Bitte, hör auf, Mutter. Ich habe Kopfschmerzen«, versuchte Mama dem Konflikt auszuweichen.
    »Was ist nur los mit eurer Generation?«, klagte Oma. » Wir haben uns damals von niemandem in den Brei pusten lassen!«
    »Ja«, seufzte Mama. »Das waren gewiss andere Zeiten. Aber ich habe überhaupt keine Kraft mehr. Ich glaube, es ist besser, wenn wir die Wohnung Ogóreks überlassen und weitersuchen.«
    »Wie bitte?!«, schrie Oma, trotz Mamas Ermattung weiter in Rage.
    »Ich bin kein gieriger Mensch«, versuchte Mama sich zu rechtfertigen. »Ich kann auch gut zurückstecken. Versteh doch. Ich bin nicht so egoistisch wie du.«
    Oma schwieg einige Sekunden. Dann sagte sie: »Ich könnte auch weniger egoistisch sein, Danuta. Aber was hätte ich davon?«
    Völlig erschöpft sank Mama aufs Bett.
    »Ich möchte einfach mit niemandem Streit haben. Ist das denn so schwer zu verstehen?« Mittlerweile waren ihre müden Augen von einem Tränenschleier benetzt.
    Oma zog scheinbar beleidigt die Lippen zusammen und sagte nichts mehr. Stattdessen setzte sie ihre Lesebrille auf und knallte energisch einen Stapel alter Zeitungen auf den Tisch, durch die sie anschließend manisch zu blättern begann. Nach einer Weile haute sie auf eine Zeitung, stand auf, nahm

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