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Skalpell Nr. 5

Skalpell Nr. 5

Titel: Skalpell Nr. 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Baden , Linda Kenney
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Terrell-Sache und dem Carramia-Prozess höre ich rein gar nichts von Ihnen – und nachdem Sie mich im Carramia-Prozess fürchterlich vorgeführt haben, halten Sie es nicht mal für nötig, sich zu entschuldigen. Dann rufen Sie mich an, um mir zu sagen, ich soll eine Frau, die ich noch nie gesehen habe, als Mandantin annehmen, weil Sie mich für eine prima Anwältin halten.« Ihre Augen verengten sich. »Sollte das ein Witz sein?«
    »Ich kann mir vorstellen, dass Ihnen das etwas seltsam vorkommt. Aber Sie haben mich wirklich vor Gericht beeindruckt, und als die Tochter von Mr. Lyons –«
    »Sie würden wirklich alles sagen, was? Nur um Ihren Willen durchzusetzen. Ich hab Sie vor Gericht beeindruckt? Mich wundert, dass Sie dabei ernst bleiben. Sie haben mich wie eine blutige Anfängerin aussehen lassen.«
    Er lächelte, aber nicht herablassend. »Wenn schon, dann wie eine beeindruckende Anfängerin. Hören Sie, ich bin Wissenschaftler. Ich werde beauftragt, mir auf der Grundlage wissenschaftlicher Fakten eine sachverständige Meinung zu bilden, und diese Meinung ist, wie sie ist, egal, wer mich beauftragt. Ich habe nicht gegen Sie ausgesagt, ich habe gegen falsche Schlussfolgerungen ausgesagt. Genau wie ich im Terrell-Prozess nicht für Sie ausgesagt habe. Wenn die Polizei den Jungen nicht in den Rücken geschossen hätte, dann hätte ich Ihnen das gesagt.«
    Na schön, er ist also nicht käuflich. Aber er ist und bleibt arrogant. Der Löffel mit Tiramisu verharrte auf halbem Weg zu ihrem Mund. Als er sich den Hemdskragen geöffnet und die Armel hochgekrempelt hatte, noch ehe sie Platz genommen hatten, hatte sie ihm schlechte Manieren unterstellt; jetzt jedoch öffneten seine lässige und unbekümmerte Art, seine offensichtliche Aufrichtigkeit und sein geradliniger Blick eine Tür zu ihr, und sie ließ ihn eintreten.
    »Man hatte Sie schlecht informiert«, fuhr er fort. »Doch abgesehen davon, waren Sie besser vorbereitet, als ich das je bei einem Anwalt erlebt habe. Dass Sie diesen Vortrag ausfindig gemacht haben, den ich mal über Zeugenaussagen bei Polizeieinsätzen mit Todesfolge gehalten habe – das war schon beachtlich. Und Sie vertreten die Interessen Ihrer Mandanten offensichtlich sehr … engagiert. Im Fall Terrell, den kein Mensch übernehmen wollte, haben Sie einen Rekordvergleich ausgehandelt. Und als der Gouverneur die Antitodesstrafendemo verbieten wollte, haben Sie dagegen Klage eingereicht. Ihre Klagebegründung war übrigens äußerst elegant formuliert.« Plötzlich griff er über den Tisch und fasste nach ihrer Hand. »Vorsicht! Sie bekleckern sich gleich mit Tiramisu.«
    Sie schob sich den Löffel in den Mund und schluckte. »Und ob ich mich für meine Mandanten einsetze. Ich bin nicht für Sie bis rauf nach Poughkeepsie kutschiert, sondern für Patrice Perez. Und falls ich spitzkriege, dass sie mich irgendwie reinlegen will, dann kann sie ihr blaues Wunder erleben.«
    »Sie reinlegen? Ausgeschlossen. Sie haben sie noch nicht kennengelernt. Die Frau ist so unglaublich verletzlich, so –«
    »Entschuldigen Sie, Dr. Rosen, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass Wissenschaftler meist nicht viel Menschenkenntnis besitzen. Verletzlichkeit gehört zum Standardrepertoire von Betrügern.«
    »Sie denken, sie macht uns was vor?«
    »Das hab ich nicht gesagt. Ich möchte die Möglichkeit nur nicht ausschließen.«
    Sie will mir zeigen, dass sie was draufhat, dachte Jake. Sich revanchieren. Der Gedanke gefiel ihm. »Aber Sie sind trotzdem rauf nach Poughkeepsie kutschiert.«
    »Natürlich. Wenn sie die Wahrheit sagt, dann hat die arme Frau gedacht, ihr Vater hätte sie im Stich gelassen. Und jetzt weiß sie nicht, was ihm zugestoßen ist. Könnte doch sein, dass die Ärzte in dieser Psychoklinik einen Fehler bei seiner Behandlung gemacht und ihn anschließend im Garten verbuddelt haben wie einen tollwütigen Hund.« Sie trank einen kleinen Schluck Wein, obwohl sie nach dem ganzen Gerede über Tod und Grausamkeiten das Glas am liebsten in einem Zug geleert hätte. »Selbst wenn hier keine Straftat vorliegt, schuldet ihr der Staat New York noch immer eine Erklärung. Auch wenn sie kein dickes Konto hat, sie hat auf jeden Fall das Recht –« Manny brach mitten im Satz ab. »Wieso grinsen Sie so?«
    »Sie sind wirklich mit Herz und Seele dabei. Das gefällt mir.«
    Sie zuckte die Achseln. »Mein Vater hat mich oft im Spaß als heiliger Judas Thaddäus bezeichnet, nach dem Schutzheiligen für

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