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Skalpell Nr. 5

Skalpell Nr. 5

Titel: Skalpell Nr. 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Baden , Linda Kenney
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aussichtslose Fälle.«
    »Ich verstehe.« Er aß einen Bissen von seinem warmen Schokoladenkuchen. »Aber er hat Sie Philomena Erminia genannt.«
    Sie sahen sich einen langen Moment in die Augen. »Sie haben meinen zweiten Vornamen rausgefunden, was?«
    »Ich bin sehr gründlich«, sagte er. »Außerdem steht er in den Gerichtsakten.«
    Sie brauchte eine Sekunde, um das zu verdauen. »Jetzt, wo wir auf derselben Seite stehen, könnten Sie mich eigentlich Manny nennen. Das tun alle.«
    »Nicht Philly?«
    »Nicht, wenn Sie Ihre Zähne behalten wollen«, entgegnete sie.

    Sie bestellten noch einen Espresso. Manny berichtete ihm von ihrer Aktenrecherche in der Academy und wie wenig offenbar dabei herausgekommen war. »Interessante Infos über die Geschichte der Klinik, aber nicht ein Wort über Lyons.«
    »Vielleicht ist das ja gerade interessant. Aufschlussreich.«
    »Auf jeden Fall seltsam. Es gibt Akten über andere Patienten aus der Zeit. Aber seine fehlt.«
    »Vielleicht gestohlen? Oder vernichtet?«
    »Könnte sein. Patrice hat gesagt, dass Sie die sterblichen Überreste gefunden haben. Sie und ein gewisser Dr. Harrigan, der offenbar kürzlich verstorben ist. Haben Sie irgendwas Wichtiges feststellen können?«
    Er überlegte kurz, ob sie sich über ihn lustig machen wollte, aber ihr Tonfall und Gesichtsausdruck wirkten ernst. Mit dem Geplänkel war Schluss, jetzt ging es um ihre gemeinsame Sache. »Jede Menge«, sagte er. »Zunächst mal ist es uns gelungen, anhand der zahnärztlichen Befunde eine eindeutige Identifizierung vorzunehmen. Aber das wissen Sie ja bereits.«
    »Todesursache?«
    »Bruch des zweiten Nackenwirbels.«
    »Wie bei Gehenkten.«
    »Donnerwetter! Woher wissen Sie das denn?«
    »Mich fasziniert die Geschichte der Lynchjustiz. Ich sammle solche Augenblicke, in denen Gerichte der Unmoral ihren Segen erteilt haben. Das hält mich davon ab, unser Rechtssystem mit allzu viel Ehrfurcht zu betrachten. Als ob ich das je getan hätte.« Sie beugte sich vor. »Wäre es nicht möglich, dass sein Genick gebrochen ist, als man ihn ins Grab warf?«
    »Nein. Wir haben unter dem Mikroskop Eisen entdeckt und Reste von zersetztem Hämoglobin. Das bedeutet, dass es an der Bruchstelle zu einer Blutung gekommen ist, was wiederum bedeutet –«
    »Dass er noch gelebt hat, als es passierte. Meinen Sie, dass er vielleicht erhängt wurde?«
    »Wäre möglich. Aber da er in einer psychiatrischen Klinik war, wäre eine andere Erklärung wahrscheinlicher. Der Genickbruch könnte die Folge einer Elektroschocktherapie sein.«
    Sie schauderte unwillkürlich. »Brutal.«
    »So was ist früher vorgekommen, wenn zu viel Strom eingesetzt und kein Muskelrelaxans verabreicht wurde oder wenn das Personal nicht richtig ausgebildet war. Im Museum in der Gerichtsmedizin könnte ich Ihnen Beispiele zeigen.«
    »Verzichte.« Sie rührte mit ihrem zierlichen Löffel in der Espressotasse. »Eines lässt mich nicht los: Wieso hat sich keiner für die Toten interessiert? Dem Rechtssystem geht’s bloß um Statistiken, wie viele Fälle ein Richter abschließen kann.«
    Er konnte ihren Zynismus nachvollziehen. Schlampige Obduktionen, achtlos zusammengetragene Beweise, falsche Zeugenaussagen – dergleichen hatte Gerichte schon immer beeinflusst, und dennoch schien es sie nicht im Geringsten zu kümmern, wenn solche Irrtümer aufgedeckt wurden. Der Fall ist abgeschlossen bedeutete nur allzu oft unwiderruflich und für alle Zeit. »Hören Sie«, sagte er, »wir wissen beide, dass der Mann keines natürlichen Todes gestorben ist. Man hätte einen Gerichtsmediziner hinzuziehen müssen, das ist aber nicht geschehen. Man hätte Lyons’ Ehefrau informieren müssen, auch das ist nicht geschehen.«
    »Glauben Sie etwa, dem Rechtssystem geht es um Wahrheit und Gerechtigkeit? Meiner Erfahrung nach – nein! « Mannys Stimme war so laut geworden, dass das knutschende Pärchen am Nebentisch aufschreckte und ihr einen Blick zuwarf.
    »Wir sind noch nicht ganz fertig. Ich hab ja nicht mal die Röntgenaufnahmen gesehen. Dr. Harrigans Sekretärin sollte sie an mich weiterleiten, aber bisher ist nichts angekommen. Ich versteh gar nicht, warum das so lange dauert.«
    »Und die toxikologische Untersuchung?«
    »Die wollte Harrigan von einem externen Labor machen lassen. Aber auch da liegen mir die Ergebnisse noch nicht vor.«
    »Wieso hat Harrigan das nicht vom Krankenhauslabor erledigen lassen?«
    »Weil er denen nicht getraut hat. Normale Krankenhauslabore

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