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Skalpell Nr. 5

Skalpell Nr. 5

Titel: Skalpell Nr. 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Baden , Linda Kenney
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Dokumente gaben offenbar keinerlei Aufschluss über die Behandlung von James Lyons. Um das, was sie jetzt tat, vor sich selbst zu rechtfertigen, sagte Manny sich: Ich will mir nur ein besseres Bild von der Einrichtung machen, und steckte noch einige Akten ein, die möglicherweise Informationen über James Lyons enthielten, obwohl sie eigentlich nicht daran glaubte. Sie würde die Sachen nur mit nach Hause nehmen, noch an diesem Abend durchsehen, kopieren, was sie brauchte, und alles wieder zurückschicken. Lorna würde sich nicht trauen, ihrem Boss zu erzählen, dass sie Unterlagen mitgenommen hatte, und in den paar Tagen würde bestimmt keiner merken, dass etwas fehlte – wahrscheinlich nicht mal in Jahren.
    Sie packte die Kisten wieder voll, ließ sie auf dem Tisch stehen, ging zur Tür hinaus und die Treppe hinunter. Sie hätte sich gern noch ein wenig im ersten Stock umgesehen, aber sie wollte Lorna nicht warten lassen. Als sie in die Lobby kam, hörte sie den Aufzug nach oben fahren und dachte im ersten Moment, Lorna wollte nachsehen, wo sie blieb, doch die Sekretärin wartete ungeduldig hinter ihrem Schreibtisch. Vielleicht war die Person in dem Aufzug ja der mysteriöse Mr. Parklandius. Frustriert, weil sie nichts Wichtiges gefunden hatte, unterdrückte Manny den Impuls, noch einmal die Treppe hinaufzulaufen, um wenigstens einen Blick auf den Direktor zu erhaschen.

    Die Luft war kühl geworden. Manny schloss das Verdeck des Porsche und rief in ihrer Kanzlei an.
    »Öder Tag«, vermeldete Kenneth, ihr Assistent. »In Sachen Cabrera oder Morales hat sich nichts getan. Mr. Williams behauptet, er hat ein Schleudertrauma. Und Mrs. Livingston hat endlich den Scheck geschickt, dem Himmel sei Dank. Das heißt, der nächste Monat ist gesichert, und denk an den Lagerverkauf morgen bei Bendel’s.«
    Kenneth Medianos Boyd, ein ehemaliger Kleinkrimineller, hatte seine Ausbildung zum Anwaltsgehilfen im Gefängnis gemacht. Er träumte davon, Anwalt zu werden, aber dafür brauchte er ein abgeschlossenes Studium, das viel Geld kostete, was wiederum zwei Jobs erforderlich machte: die Arbeit für Manny und als Kellnerin namens Princess K im Nachtclub Changing Places. Princess K, der die Sauberkeit in den Damentoiletten ganz besonders am Herzen lag, hatte Schilder mit der Aufschrift BITTE UNBEDINGT DARAUF ACHTEN, DASS ALLES HINUNTERGESPÜLT WIRD entworfen und sie in den Kabinen aufgehängt. Manny hatte Kenneth als Pro-bono-Mandant zugewiesen bekommen, nachdem er unter dem Verdacht festgenommen worden war, belastende Beweise – nämlich Drogen – vernichtet zu haben, indem er sie die Toilette runterspülte. In der Nacht, die er in der Zelle verbrachte, trug er türkisfarbene Knautschlackschuhe mit zehn Zentimeter hohen Plateausohlen, einen knallgrünen Stringbikini mit Rüschen und einen Schwanz aus Pfauenfedern, er war grell geschminkt und selbstverständlich unter den Armen rasiert. Seine Zellengenossen hatten richtig Angst vor ihm.
    Manny musste sich nicht besonders anstrengen, um ihren Mandanten freizubekommen, obwohl er schon einmal wegen desselben Vergehens angeklagt worden war. Der Richter musste über die Geschichte und Kenneths Aufmachung so hysterisch lachen, dass er die Worte »Verfahren eingestellt« kaum verständlich herausbrachte. Aber Manny und ihr Mandant hatten sich im Laufe der Zeit genügend beschnuppern können und fanden sich gegenseitig sympathisch. Kenneth war intelligent und fleißig, und er brauchte einen Job mit normalen Arbeitszeiten. Sie konnte ihn ein bisschen im Auge behalten, und er konnte sie obendrein in Sachen Mode beraten, denn sein Talent, ausgefallene Kleidung geschmackvoll mit Schuhen, Taschen und Tüchern zu kombinieren, war beachtlich. Jeden Tag durchstöberte er die Zeitungen nach Lagerverkäufen von Designerläden.
    »Ach, und noch was«, sagte er. »Dr. Rigor Mortis hat angerufen.«
    »Meinst du Rosen?«
    »Genau den. Er ist noch an irgendeinem Tatort und möchte euer Dinner verschieben. Er schlägt vor, ihr trefft euch Sechsundsechzigste, Ecke, Third Avenue, halb sieben.
    Auf dem Weg zum Restaurant könntet ihr euch über den Fall unterhalten, sagt er.«
    Dann hab ich ja noch Zeit, mich umzuziehen. Was trägt man denn so, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, eine Totenmaske? »Ruf ihn zurück und sag ihm, das geht in Ordnung. Und gib ihm meine Handynummer, für den Fall, dass er sich noch mal verspätet.«

    Es war dunkel, als Manny zum vereinbarten Treffpunkt kam, aber sie sah

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