Skandal
bekommen.«
»Madam hat durchaus recht«, mischte sich die Haushälterin ein. »Wir müssen vielleicht sogar Steinbutt in Aspik servieren. Und Würste und vielleicht ein bißchen Zunge.«
»Würste! Zunge!« Smoke war entrüstet. »Ich lasse nicht zu, daß in diesem Haushalt fettige Würste oder Zunge serviert werden.«
»Nun, dann könnten wir doch auch mit kaltem Schinken auskommen«, sagte Emily hoffnungsvoll.
Ein lautes Klopfen, von dem Dringlichkeit ausging, war an der Küchentür zu hören und unterbrach die Auseinandersetzung. Harry, der Lakai, ging an die Tür, und nach einer kurzen Absprache mit demjenigen, der draußen stand, kam er auf seine Herrin zu.
»Ich bitte um Verzeihung, Madam. Man sagt mir, da sei ein Bote für Sie.«
Emily wandte sich mit einem Gefühl der Erleichterung zu ihm um, denn das Zanken strengte sie an. »Für mich? Wo?«
»Ein junger Kerl steht vor der Tür, Ma’am. Er sagt, er darf die Nachricht nur Ihnen persönlich überbringen.« Harry hob den Arm mit dem Eisenhaken. »Soll ich ihn fortschicken?«
»Nein, nein, ich werde mit ihm reden.«
Emily ging durch die Küche zur Tür und sah den schmutzigen kleinen Jungen, der sie erwartete.
»Nun, mein Junge, was ist?«
Der Junge starrte Emilys leuchtendrotes Haar und ihre Brille an und nickte dann, als hätte er zu seiner Zufriedenheit festgestellt, daß er die richtige Person vor sich hatte. »Ich soll Ihnen sagen, daß Ihr Pa Sie auf der Stelle sehen muß, Ma’am. Er hat mir diese Nachricht gegeben, die ich Ihnen überbringen soll.« Ein kleiner Zettel, der von einer schmutzigen kleinen Faust reichlich übel verdreckt war, wurde ihr pflichtbewußt überreicht.
»Danke.« Emily drückte dem Jungen eine Münze in die Hand, und ein ausgeprägtes Gefühl dunkler Vorahnungen befiel sie, als sie auf das Blatt sah. »Ich danke dir.«
Der Junge sah sich die Münzen ganz genau an, steckte sie zwischen die Zähne und biß darauf, und dann grinste er breit. »Gern geschehen, Ma’am.«
Harry trat vor, um die Küchentür zu schließen. Der Junge schaute voller Bewunderung und Erstaunen den Eisenhaken an und rannte dann schnell fort.
»Wir werden unsere Pläne für das Büffet auf später verlegen«, sagte Emily zu Smoke und der Haushälterin, als sie aus der Küche eilte.
Sie raste nach oben, und der Zettel brannte in ihrer Hand. Sie fürchtete das Schlimmste. Als sie sich in die Privatsphäre ihres Schlafzimmers zurückgezogen hatte, machte sie die Tür hinter sich zu und schloß sie ab.
Sie zitterte vor Furcht, als sie sich hinsetzte, um die Nachricht von ihrem Vater zu lesen.
Meine allerliebste pflichtbewußte Tochter, die Katastrophe ist eingetreten. Das Glück ist mir schon seit einigen Wochen nicht mehr hold. Ich habe beim Kartenspiel eine ziemlich hohe Geldsumme verloren und muß jetzt die wenigen Aktien, die mir noch geblieben sind, und die Zuchttiere verkaufen, um das Geld aufzubringen, damit ich meine Schulden bezahlen kann. Bedauerlicherweise wird sich damit nicht der Gesamtbetrag decken lassen. Du mußt mir helfen, meine liebste Tochter. Ich bete, daß Du Dich in der Stunde der Not an die Blutsbande und die Liebe erinnern wirst, die uns für immer miteinander verknüpfen. Du weißt, wie sehr sich Deine liebe Mama wünschen würde, daß Du mir zu Hilfe kommst. Ich werde mich sehr bald wieder bei Dir melden.
Herzlichst
Dein liebender Vater.
PS. Unter den gegebenen Umständen darfst Du Deinem Mann nichts von diesen kleinen familiären Problemen erzählen. Du weißt selbst zu gut, daß er einen tiefen, unnatürlichen Haß gegen mich hegt.
Emily fühlte sich elend, als sie die Nachricht langsam wieder zusammenfaltete. Schon seit einiger Zeit wartete sie auf solch eine Katastrophenmeldung. Sie hatte versucht, sich vorzumachen, ihr Vater würde beim Spielen eine gewisse Vernunft an den Tag legen, aber tief in ihrem Innern hatte sie gewußt, daß seine Leidenschaft für das Kartenspiel und das Risiko zu groß war. Ihre Mutter hatte ihr oft gesagt, er würde sich niemals ändern.
Und jetzt wandte er sich hilfesuchend an seine Tochter, obwohl er wußte, daß er sie damit dazu zwang, zwischen ihrer Loyalität ihrem Mann gegenüber und ihren Pflichten als Tochter zu wählen.
Es war einfach zuviel. Die Realität war wieder einmal in ihre Welt eingedrungen und hatte den romantischen Vorhang zur Seite gerissen, in den sie sich gewaltsam zu hüllen versucht hatte.
Emily legte den Kopf auf die Arme und weinte.
18
Emily zog
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