Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Skandal

Titel: Skandal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Quick
Vom Netzwerk:
allem ein Jammer«, schloß Gillingham und griff nach dem Portwein. »Gott sei Dank, daß es die Damen des hiesigen Literaturzirkels gibt.«
    Simon blickte auf. »Warum sagen Sie das?«
    »Ein fader, aber durch und durch ehrbarer Verein, alle diese Damen miteinander. Sie haben sich zusammengeschart und Miss Faringdon in ihre Gruppe aufgenommen. Sie haben damit deutlich klargestellt, daß sie sie selbst dann nicht schneiden werden, wenn sie vor den Augen der ganzen Welt als gesellschaftlich ruiniert dasteht. Wenn Sie mich fragen, gibt es unter den Damen des Literarischen Zirkels nicht eine einzige, die die Kleine nicht insgeheim beneidet. Sie hat ein wenig Aufregung in ihr eintöniges Leben gebracht.«
    Simon fand, das sei ein ganz erstaunlich einfühlsamer Kommentar von seiten seines Gastgebers. Er fragte sich, ob Gillingham wußte, daß Emily sich bei ihren Wohltäterinnen dadurch erkenntlich zeigte, daß sie ihnen allen fürs Alter Pensionen sicherte, von denen sie ein bequemes Leben führen konnten. »Dann hat Miss Faringdon also wegen dieses Skandals nie geheiratet. Wissen Sie, es fällt mir schwer zu glauben, daß niemand hier in der Gegend bereit war, diesen Vorfall lange genug zu übersehen und um ihre Hand anzuhalten. Sie ist ein entzückendes kleines Dingelchen.«
    »Tja, da ist immer noch Prendergast«, sagte Gillingham.
    Simon zog die Stirn in Falten. »Wer ist Prendergast?«
    »Landadel. Ihm gehört ein ganz beachtliches Stück Land hier in der Gegend. Seine Ehefrau ist vor einem Jahr gestorben, und er hat deutlich klargestellt, daß er bereit ist, den Vorfall in Miss Faringdons Vergangenheit zu übersehen. Er ist nicht direkt das, was sich ein junges Mädchen erträumt, aber Miss Faringdon ist auch nicht mehr gerade ein junges Mädchen. Und es ist ja nicht so, als hätte sie viel Auswahl.«
    Etliche Stunden später gab Simon seinen Versuch auf, endlich einzuschlafen. Er stieß die schwere Bettdecke zurück, stieg aus dem Bett und zog sich die Hose, die Stiefel und ein Hemd an. Dann schnappte er sich seinen Mantel und trat in den Gang hinaus.
    Die Ruhelosigkeit, die an ihm nagte, seit er sich zurückgezogen hatte, ließ sich vielleicht durch einen Spaziergang beheben.
    Im Haus war es kalt und dunkel. Simon spielte mit dem Gedanken, eine Kerze anzuzünden, entschied sich aber dann dagegen. Er hatte schon immer bei Nacht gut gesehen.
    Lautlos stieg er die teppichbelegten Treppenstufen hinunter und lief dann durch den Korridor, der zur Küche führte. Im nächsten Moment trat er in die klare, frostige Nacht hinaus.
    Es war ganz leicht, den Weg durch den mondhellen Wald zur St. Clair Hall zu finden. Es war Jahre her, daß er bei Nacht durch diese Gegend gelaufen war, doch er hatte den Weg nicht vergessen.
    Zehn Minuten später lief Simon die lange elegante Auffahrt zu dem Landsitz hinauf, und seine Stiefel knirschten auf dem eisigen Boden. Er blieb am Fuß der eleganten Freitreppe stehen, drehte sich um und lief durch die Gärten um das Haus herum. Es verblüffte ihn, im Fenster der Bibliothek noch Licht brennen zu sehen.
    Sein Magen zog sich zu einem Knoten zusammen. Ebenso hell hatten die Lichter in jener Nacht vor dreiundzwanzig Jahren geleuchtet, als er in die Bibliothek gestürzt war und seinen Vater mit dem Kopf auf dem Schreibtisch in einer Blutlache vorgefunden hatte.
    Simon wußte jetzt, was ihn heute nacht angelockt hatte, sich vor das Fenster der Bibliothek zu stellen. Er war hergekommen, weil er sehen wollte, ob der Geist seines Vaters noch neben dem Mahagonischreibtisch herumlungerte.
    Irgendwo ganz tief in seinem Hinterkopf erwartete Simon, die Pistole noch in der Hand des Earls zu sehen, und er rechnete damit, immer noch das Blut und das zerfetzte Fleisch und die graue Masse zu sehen, die auf die Wand hinter dem Stuhl gespritzt war. Mit diesem grausigen Bild hatte er jahrelang gelebt.
    Aber anstelle des Geistes eines Mannes, der alles verloren und den Ausweg eines Feiglings gewählt und einen zwölfjährigen Sohn auf sich gestellt zurückgelassen hatte, damit er sah, wie er allein zurechtkam, sah Simon Emily.
    Sie hockte auf der Kante des großen Stuhls und wirkte in ihrem Eifer sehr klein und ätherisch. Im Kerzenschein schimmerte ihr rotes Haar so kräftig wie Lapsungs Fell in der Sonne.
    Sie trug ein kleines weißes Spitzenhäubchen und ein prüdes Nachthemd mit Rüschen am Hals. Ihre Füße, die sie unter den Stuhl gezogen hatte, steckten in weichen Satinhausschuhen. Sie kritzelte emsig mit

Weitere Kostenlose Bücher