Skandal
sein könnte, wenn es um ihr Leben gegangen wäre. Ihre romantische Vorstellungskraft ergriff wieder Besitz von ihr.
»Offensichtlich ist dieser seltsame Zufall nur ein weiteres denkwürdiges Element unserer zum Untergang verdammten Beziehung, Mylord«, brachte Emily schließlich hervor.
Simon sah sie scharf an. »Dem Untergang geweiht, habe ich das richtig verstanden? Ich gestehe, daß ich in den Elementen der romantischen Literatur weniger beheimatet bin als Sie. Vielleicht würden Sie es mir erklären?«
Emily trank noch einen Schluck Cognac und begann, im Zimmer auf und ab zu laufen. Ihre weichen Hausschuhe machten auf dem Teppich keine Geräusche. »Ich muß Ihnen sagen, Mylord, daß es für uns kein glückliches Ende geben kann. Und das ist alles meine Schuld.«
Er sah sie aus zusammengekniffenen Augen an. »Und wie kommt das?«
Emily umklammerte das Cognacglas so fest, daß ihre Knöchel weiß wurden. Sie konnte Simon nicht in die Augen sehen, als sie sich, am Ende des Raums angelangt, umwandte und sich wieder auf den Rückweg zu dem Schreibtisch machte. Am besten sagst du es ganz schnell und bringst es endlich hinter dich, beschloß sie.
»Mylord, ich muß gestehen, daß ich Sie in schändlicher Weise in die Irre geführt habe. Ich habe frevelhaft mit Ihnen geflirtet. Ich habe Ihnen auf schockierende Art Mut gemacht und Sie glauben lassen, ich hieße einen Heiratsantrag von Ihnen willkommen.«
Aus der Nähe des Schreibtischs war ein kurzes, spannungsgeladenes Schweigen wahrzunehmen. Dann fragte Simon kalt: »Wollen Sie mir damit klarmachen, daß Sie einen solchen Antrag nicht willkommen hießen?«
»O nein, Mylord. Darum geht es überhaupt nicht.« Sie warf ihm einen gequälten Blick zu, machte auf dem Absatz kehrt und schritt tapfer wieder zum entgegengesetzten Ende des Raumes. »Ich versichere Ihnen, daß ein solcher Antrag eine große Ehre für mich wäre. Die allergrößte Ehre. Aber ich kann Ihnen nicht guten Gewissens gestatten, um meine Hand anzuhalten.«
»Wie gedenken Sie, mich davon abzuhalten?«
»Indem ich Ihnen die Wahrheit über mich erzähle. Eine Wahrheit, von der ich fest und ganz damit gerechnet hätte, daß sie Ihnen längst ein anderer erzählt haben müßte.« Emily runzelte einen Moment lang die Stirn. »Ich kann mir auch tatsächlich nicht vorstellen, warum nicht schon eher jemand Ihnen gegenüber den unseligen Vorfall erwähnt hat, aber da die braven Leute von Little Dippington es für angemessen erachtet haben, den Mund zu halten, muß ich eben alles gestehen.«
»Das muß allerdings wahrhaft ein interessantes Geständnis sein, wenn es insgeheim um diese Nachtzeit abgelegt werden muß.«
Das Geräusch von Kristallglas, das leise gegen Kristallglas klirrte, ertönte von dem Tischchen mit der Cognackaraffe. Emily riskierte einen schnellen Seitenblick und sah, daß der Earl sich noch einen Cognac eingegossen hatte. Ihr ging plötzlich auf, daß sie auch noch einen Cognac gebrauchen konnte.
»Mylord, ich werde mich bemühen, mich so kurz wie möglich zu fassen, damit Sie sich wieder Ihren eigenen Angelegenheiten wid-men können.« Emily holte tief Atem und wappnete sich. »Die furchtbare Wahrheit ist die, daß Sie unmöglich um meine Hand anhalten können, da ich schon eine ruinierte Frau bin.«
»Inwiefern ruiniert? Mir kommt es vor, als seien Sie gut in Form. So gesund wie ein Pferd.«
Emily kniff die Augen zu und blieb vor den Bücherregalen am anderen Ende des Raums stehen. »Sie legen meine Worte falsch aus, Mylord«, sagte sie ruhig. »Ich versuche, Ihnen zu sagen, daß ich gesellschaftlich ruiniert bin. Um es kurz und bündig zu sagen, es gibt einen gewaltigen Skandal in meiner Vergangenheit.«
»Einen Skandal?«
»Einen Skandal, bei dem es um einen Mann geht. Der Skandal hatte so enorme Ausmaße angenommen, daß meine Familie mir versichert hat, kein anständiger Mann, und schon gar nicht einer, der einen Adelstitel wie dem Ihren verpflichtet ist, würde mich je heiraten wollen.«
So, dachte Emily trostlos. Jetzt ist es draußen. Sie wartete auf das Unwetter, das gewiß einsetzen mußte. Der Earl of Blade würde den Umstand nicht zu schätzen wissen, daß sie ihn mehr als eine Woche lang an der Nase herumgeführt hatte.
»Reden wir hier zufällig über diese Lappalie, die sich zugetragen hat, als Sie neunzehn waren?« fragte Simon verbindlich.
Emily wurde augenblicklich in tiefe Verwirrung gestürzt. »Sie haben von dem Vorfall gehört, Mylord?«
»Seien Sie
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