Skandalöse Küsse - Scandal Becomes Her
ihn, brauchte seine Wärme, seine Kraft. »Du bist sehr gut zu mir«, erklärte sie mit heiserer
Stimme. »Nur wenige Ehemänner wären so verständnisvoll.«
Von ihren Worten angenehm gewärmt, küsste Julian sie auf die Stirn. »Ist es gut, dass ich ein so außerordentlicher Ehemann bin?«
Trotz des Ernstes des Augenblickes lächelte Nell. »Fischst du etwa nach Komplimenten?«
Er lächelte. »Nein, aber es ist schön, wenn du gut über mich sprichst.«
Sie saßen eine Weile nebeneinander. Genossen die gegenseitige Nähe, aber zu bald schon kehrten Julians Gedanken zu der Angelegenheit vor ihnen zurück. Seufzend erklärte er: »Es missfällt mir, dich das hier zu fragen, aber gibt es sonst irgendetwas in dem Albtraum von eben, an das du dich erinnerst und das uns weiterhelfen könnte?«
»Nur, dass er außer sich vor Zorn war. Er war wie ein Wilder, brodelte, kochte über vor maßloser Wut.«
»Ich frage mich«, überlegte Julian laut, »was das ausgelöst haben könnte.«
»Das kann ich noch nicht einmal raten.« Sie erschauerte und drückte sich dichter an Julian. »Die arme Frau.«
»Es ist klar, dass wir eine Menge zu tun haben.« Julian schüttelte den Kopf. »Ich freue mich nicht gerade darauf, jeden verdammten verlassenen, feuchten und dreckigen Kerker in Devonshire zu besichtigen, das lass dir versichert sein. Und welche zweifellos verrückten Geschichten ich mir ausdenken muss, um meine ahnungslose Familie und Freunde sowie Bekannte dazu zu bewegen, mich ihre Kellergewölbe erforschen zu lassen, will ich mir lieber gar nicht vorstellen.«
Sie lächelte mit leiser Ironie. »Wenigstens kannst du beruhigt sein, dass deine Kerker nicht in Frage kommen.«
Er nickte. »Ja, dafür muss ich allerdings dankbar sein.« Mit ernster Miene schaute er Nell ins Gesicht. »Bist du sicher, dass er jemand ist, den wir kennen?«
Nell nickte. »Daran gibt es keinen Zweifel in mir.«
»Nun, dann lass uns hoffen«, brummte er, »dass unser Irrer sich als der Bastard Tynedale entpuppt.«
Nell schüttelte den Kopf. »Das ist er nicht. Tynedale ist blond, der Schattenmann aber hat schwarze Haare, ganz ähnlich wie du …«
Kapitel 15
J ulian verschwendete keine Zeit. Am nächsten Morgen saß er in seiner Bibliothek und stellte eine Liste der Landsitze zusammen, von denen er wusste, dass sie Kerker besaßen. Auf der Liste markierte er die Besitzungen von Leuten, die Nell kennen gelernt hatte. Ob er sie kannte, war erst in zweiter Linie wichtig, Nell war der Schlüssel.
Da er hier geboren und aufgewachsen war, kannte er die verschiedenen Herrenhäuser. Als seine eigentliche Liste vollständig war, stellte er erstaunt fest, dass viele Häuser, die Freunden und Verwandten gehörten, auf Standorten ehemaliger Normannenburgen erbaut waren und Kerker besaßen. Manche Besitzer wie zum Beispiel Squire Chadbourne waren begeistert über die düsteren Kerker unter dem prachtvollen Haus und würden ohne zu zögern ahnungslose Besucher nach unten schleifen, um sie ihnen zu zeigen. Andere waren eher wie er selbst, vergaßen ihre Existenz, bis sie wieder daran erinnert wurden. Die Kerker von Chadbourne zu besichtigen würde sich nicht als schwierig erweisen. Was die anderen anging … er seufzte. Alle würden denken, er sei übergeschnappt, es sei denn, er ließe sich eine glaubwürdige Erklärung einfallen, weshalb er sie sehen wollte. Keine erbauliche Aussicht. Er konnte sich Charles’ Gesichtsausdruck lebhaft vorstellen, wenn er ihn bäte, sich die weitläufigen Kerker unter Stonegate einmal ansehen zu dürfen. Dr. Coleman wäre auch nicht begeistert, wenn er von ihm verlangte, die Türen
zu Rose Cottage aufzureißen und ihn im Keller des Hauses herumstöbern zu lassen. Lord Beckworth, sein Nachbar im Norden dagegen war wie Squire Chadbourne ziemlich stolz auf die Kerker seiner Familie und könnte vermutlich dazu verleitet werden, ihm eine Führung zu geben, ohne sich weiter zu wundern.
Und als Letzter auf seiner Liste befand sich John Hunter, sein Jagdaufseher. Nicht, dass Hunter einen großartigen Besitz bewohnte, aber sein Heim und mehrere Morgen Land darum, die ihm von dem alten Earl vermacht worden waren, war einmal eine nette Jagdhütte gewesen, von der es hieß, sie sei an der Stelle erbaut worden, wo früher einmal eine sächsische Burg gestanden hatte, komplett mit Kerkern. Julian wusste nicht viel über die sächsische Burg, aber er wusste, dass es die Kerker noch gab - als Kinder hatte er sie mit John, Marcus und
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