Skandalöse Küsse - Scandal Becomes Her
Wie viel schwerer musste es dann Marcus fallen, zu glauben, dass sie tatsächlich sah, wie
entsetzliche Morde begangen wurden - Johns eingeschlossen? Das würde er nicht von ihr verlangen.
Die beiden Männer waren erschöpft nach den vielen Stunden im Sattel, und eine Weile saßen sie einfach da und starrten ins Feuer, nippten von ihrem Brandy, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Keiner von ihnen war hungrig, daher beachteten sie das kalte Buffet nicht weiter, aber von Zeit zu Zeit stand Julian auf und füllte ihre Gläser nach. Als sie dann mehrere geleert hatten, verblasste ein Teil der Schrecken des Tages.
Obwohl er nichts gesagt hatte, hatte Julian gründlich über Nells Albträume nachgedacht und darüber, dass er Marcus nicht einweihen durfte. Er gönnte sich einen weiteren Schluck Brandy und überlegte, wie er mit der Sache am besten umgehen sollte. Er würde einen Weg finden müssen, erkannte er, Marcus in die richtige Richtung zu steuern, ohne Nells Beteiligung daran preiszugeben. Er schloss die Augen, Erschöpfung überwältigte ihn und seine Gedanken kehrten gegen seinen Willen zu dem scheußlichen Anblick im Wald heute zurück. Die arme Frau! Kaum mehr als ein Kind, wirklich. Und so brutal und sinnlos gemordet. Seine Finger schlossen sich um das Glas. Er wollte dieses Monster fassen, wollte ihn mit einer Macht tot sehen, von der er nicht gedacht hätte, dass er dazu fähig wäre.
»Also, was sollen wir tun?«, fragte Marcus, als er bedrückt in die bernsteinfarbene Flüssigkeit schaute. »Wie fangen wir so eine Bestie? Wo fangen wir an?« Er nahm einen unfein großen Schluck des sehr teuren französischen Brandys. »Du hast auch begriffen, dass er, nachdem er vom Abschlachten von Wild zu menschlichen Opfern übergegangen ist, nicht einfach wieder zu Wild zurückkehren wird. Das wird ihn nicht länger zufrieden stellen.«
Auf der Suche nach einem Weg, Marcus einen Schimmer der Wahrheit zu verraten, erklärte Julian: »Ich glaube eigentlich nicht, dass er jetzt erst begonnen hat, Menschen zu töten - ich denke, dass er das schon länger tut, die bedauernswerte junge Frau von heute ist nur das erste Opfer, das wir gefunden haben. Das Gemetzel an dem Wild war nicht mehr als eine Zerstreuung für ihn. Vielleicht ist er auf der Suche nach menschlichen Opfern gewesen, und hat seine Wut, als er keine finden konnte, an vierbeinigen ausgelassen.«
»Das kann schon stimmen«, entgegnete Marcus nachdenklich. »Das alles überfordert mein Begriffsvermögen - ich habe nie mit etwas wie diesem hier zu tun gehabt. Einen offenen Mord, das verstehe ich. Einen Mann im Duell töten, das verstehe ich auch. Blutvergießen verstehe ich - der Krieg mit Napoleon ist ein gutes Beispiel - aber was wir heute zu Gesicht bekommen haben …« Er seufzte tief. »Es muss die Tat eines Wahnsinnigen sein.«
»Da stimme ich zu. Aber ihn zu finden und aufzuhalten, das ist unser Problem.« Nachdem er seinen Brandy ausgetrunken hatte, erhob sich Julian und schenkte sich und Marcus nach, setzte sich wieder. Er grübelte eine Weile stumm, ehe er bemerkte: »Er muss einen Ort haben, an dem er seinem scheußlichen Handwerk nachgeht. Etwas, wo er sicher sein kann, ungestört seine Abscheulichkeiten auszuüben. Einen Ort, wo niemand je die Schreie und das Flehen seiner Opfer hören wird. Einen geheimen Ort, über den niemand zufällig stolpern würde.«
Marcus dachte über Julians Worte mehrere Minuten nach, nickte gedankenverloren. »Ja, das stimmt wohl«, räumte er schließlich ein. Müde fuhr er sich mit einer Hand übers Gesicht, fügte hinzu: »Und das führt uns zu einem Schluss: Das hier ist nicht die Tat eines Bauern, der in einer Hütte haust.
Es ist entweder ein Mann von Ansehen mit Besitzungen, wo er tötet, oder er hat uneingeschränkten Zugang zu einem solchen Ort und muss auch keine Störung fürchten. Außerdem«, sagte Marcus langsam, »muss er kommen und gehen können, wie es ihm beliebt, ohne dass jemand sein Tun hinterfragt.«
Ihre Blicke trafen sich. »Was bedeutet«, erwiderte Julian, »dass es sich bei unserem Täter sehr wohl um einen Gentleman handelt. Jemand mit Land und wenigstens einem Auskommen oder jemand, der angestellt ist und sich dabei frei bewegen kann, ohne dass jemand seinen Verbleib überwacht.«
»Gütiger Himmel! Begreifst du, was du da sagst?«, verlangte Marcus zu wissen. »Wenn wir danach gehen, könnten wir sehr gut am Ende herausfinden, dass Dr. Coleman oder sogar John Hunter der
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