Skandalöse Küsse - Scandal Becomes Her
auf dem Bild und wandte sich seufzend ab.
Seit dem Tag, da sie die Vase auf den Boden geschleudert hatte, hatte Marcus darauf geachtet, ob Nells Besuch bei Catherines Porträt ein einmaliger Ausrutscher gewesen war oder etwas, das sie oft tat. Indem er Nell heimlich folgte, entdeckte er, dass es tatsächlich eine Gewohnheit für sie war, allerdings eine entschieden ungesunde. Sein erster Instinkt war, Julian von der merkwürdigen Besessenheit seiner Frau von Catherines Porträt zu erzählen, aber er wollte auch nicht zu Julian rennen und petzen. Sich in das einzumischen, was zwischen einem Mann und seiner Frau vorging, war nichts, was ein einigermaßen vernünftiger Mann leichten Herzens auf sich nehmen würde. Da er Nells Faszination von Julians
erster Frau nicht begreifen konnte, beobachtete Marcus und wartete ab, hoffte, ihm käme der rettende Einfall. Doch das geschah nicht.
Er sah zu, wie Nells schlanke Gestalt von dem grauen Dämmerlicht im Flur verschluckt wurde, und kam zu dem Schluss, dass er nicht länger warten konnte. Etwas musste getan werden. Die Sache war ihm immer weniger geheuer, und er fragte sich, weshalb Julian ihr keinen Einhalt gebot. Erstaunt kam ihm der Gedanke, dass Julian am Ende gar nichts davon wusste, wie besessen Nell von dem Bild war. Sein Blick fiel auf den frischen Rosenstrauß, und ihm kam ein weiterer Gedanke: Was, zum Teufel, dachte sich Julian eigentlich dabei, einer Frau, die tot und begraben war, Blumen zu schicken? Und besonders einer Frau, die sein Leben zur Hölle auf Erden gemacht hatte?
Nachdem sich die Damen in jener Nacht aus dem Speisesaal zurückgezogen hatten, sodass Marcus und Julian ungestört ihrem Portwein frönen konnten, konnte Marcus nicht länger schweigen. Er und Julian saßen in lässiger Pose am Tisch, die Gläser mit dem Port vor sich, als er einfach ins kalte Wasser sprang.
Da er zu dem Schluss gekommen war, dass es keinen einfachen Weg gab, das Thema anzuschneiden, sagte er ohne Umschweife: »Ich möchte mich nicht in Sachen einmischen, die mich nichts angehen, aber kannst du mir sagen, warum du jeden Tag einen frischen Blumenstrauß vor Catherines Porträt stellen lässt?«
Julian zuckte wie von der Tarantel gestochen zusammen. »Wovon, zur Hölle, sprichst du?«
Marcus hob eine Augenbraue. »Hast du die Blumen gar nicht bestellt?«
»Das ist das erste Mal, dass ich davon höre«, erwiderte Julian scharf und runzelte die Stirn. »Gütiger Himmel! Sie ist seit Jahren tot - warum sollte ich etwas so Dummes tun?«
»Schuldgefühle vielleicht? Oder weil du immer noch an ihr hängst? Ihr Andenken ehren willst?«
Marcus hatte Julian nie gefürchtet, aber jetzt ertappte er sich dabei, die Armlehnen seines Stuhles fester zu fassen, als er den Gesichtsausdruck seines Cousins sah. Julian war aufgesprungen und hatte sich drohend vor ihn gestellt.
Durch zusammengebissene Zähne erklärte Julian: »Als sie gestorben ist, war - wie du verdammt gut weißt - nichts zwischen mir und Catherine, das es zu ehren galt.«
Dann machte er auf dem Absatz kehrt und stürmte aus dem Zimmer, ließ Marcus zurück, der ihm einen Moment verblüfft hinterherstarrte, ehe er ebenfalls aufsprang und seinem Cousin auf den Fersen folgte. Julian lief, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe zur Galerie hoch.
Der langgestreckte Raum lag im Dunkeln, aber Julian zündete einen Kerzenleuchter an und ging dorthin, wo Catherines Bild hing. Ungläubig starrte er auf die Rosen, deren Knospen sich gerade öffneten und die Luft mit ihrem Duft erfüllten.
Mit einem halblauten Fluch fasste Julian nach der Klingelschnur und riss so heftig daran, dass Marcus befürchtete, er könnte sie aus der Wand reißen. Mit einem hitzigen Blick zu Marcus erklärte Julian: »Ich habe diese verfluchten Blumen nie bestellt, aber ich habe ganz sicher vor, herauszufinden, wer das war.«
Dibble erschien kurze Zeit später mit besorgter Miene. Die Klingel hatte heftig geläutet. »Mylord, ist etwas nicht in Ordnung?«
Julian deutete auf die Rosen. »Würden Sie mir bitte das da erklären?«
Dibble schaute auf die Blumen, dann wieder zurück in Julians angespanntes Gesicht. »Uh, das ist ein Rosenstrauß unter Lady Catherines Porträt.«
»Das sehe ich«, entgegnete Julian scharf, »aber auf wessen Anweisung hin wurde er dort hingestellt?«
»Nun, Ihre, Mylord«, antwortete Dibble, der sichtlich nichts verstand. »Ich versichere Ihnen, dass ich jeden Tag einen neuen Blumenstrauß aus dem
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