Skandalöse Küsse - Scandal Becomes Her
geschehen war, war für den gesamten Haushalt offensichtlich. Während es keine direkte Veränderung zwischen Nell und Julian gab, so war doch etwas spürbar anders als vorher, eine gewisse Leichtigkeit in ihrem Verhalten, ein stilles Glück, das sie umgab und das ganze Haus erfüllte - wie der Duft von Fliederzweigen an einem Frühlingstag.
Marcus machte dazu am Abend eine Bemerkung. Die Damen waren in den Salon gegangen, und er und Julian saßen wieder einmal ungestört bei ihrem Portwein zusammen.
Er grinste seinen Cousin an und sagte: »Es duftet schon den ganzen Tag überwältigend nach Frühling. Ich nehme an, zwischen dir und deiner Liebsten ist alles in Ordnung?«
Julian lächelte, ein seliges, nach innen gewandtes Lächeln,
das Marcus noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte. »Das könnte man so sagen.« Er blickte ihn an. »Sie liebt mich«, erklärte er schlicht, »so, wie ich sie liebe.«
»Und das, mein Freund, verlangt eindeutig nach einem Toast!« Marcus hob sein Glas. »Auf dein Glück!«
Das Wetter blieb den ganzen Monat März beinahe ohne Pause grau und regnerisch. Es gab nie mehr als zwei Tage hintereinander, an denen es nicht regnete. Der Sonne gelang es, ab und zu durch die Wolken zu dringen, aber das war nur selten der Fall.
So waren sie ans Haus gebunden und nicht in der Lage, viel mehr zu tun, als wegen des Schattenmannes Vermutungen anzustellen und dem Regen zuzusehen. Marcus erwog, nach Hause zu reiten. »Es würde keinen Unterschied machen«, sagte er eines Abends zu Julian. »Hier kann ich nichts tun, um zu helfen.«
»Du würdest mich ohne Gewissensbisse einem Haushalt voller Frauen ausliefern?«, erkundigte sich Julian.
»Die dich alle lieben und dir den völlig falschen Eindruck vermittelt haben, die Welt drehe sich nur um dich.«
»Genau deshalb solltest du bleiben - denk nur, wie unerträglich ich würde, wenn du nicht da wärest, um mich auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.«
Marcus hatte nur gelacht, und es wurde nicht weiter über seine Abreise gesprochen.
Als es im April so schien, als wollte der Frühling Einzug halten, schöpften alle neue Hoffnung. Und wirklich, der Himmel klarte auf, und bis auf den einen oder anderen Regenschauer waren die folgenden Tage sonnig und warm. Gegen Ende der zweiten Aprilwoche sah es dann wirklich so aus,
als sei der Winter endgültig besiegt, und die Bewohner von Wyndham Manor schwärmten wie aus ihrem Käfig befreite Vögel aus. Lady Diana und Elizabeth machten sich gleich auf den Weg zum Dower House, und Julian und Marcus nahmen sich vor, die Klosterruine zu überprüfen, um sie von ihrer Verdächtigenliste streichen zu können. Da er überzeugt war, dass es vollkommen ungefährlich für sie wäre, lud Julian Nell ein, mitzukommen. Eine Einladung, die sie ohne Umschweife annahm, bevor er es sich noch einmal anders überlegen konnte. Der Tag war wunderschön, und da sie in den Ruinen keine Hinweise auf einen Kerker entdecken konnten, erwies er sich auch als angenehm.
Als sie zum Haus zurückkehrten, entdeckte Nell, dass Mrs. Weston ihnen für die folgende Woche eine Einladung zum Dinner auf Stonegate gesandt hatte. Während die Situation zwischen Julian und den anderen Westons sich entspannt hatte, verursachte Tynedales fortgesetzte Anwesenheit als Gast auf Stonegate weiter Probleme.
Nell machte sich auf die Suche nach Julian und fand ihn in der Bibliothek, in eine Nachricht vertieft, die ihm ein Stirnrunzeln entlockt hatte. Als er Nell erblickte, hellte sich seine Miene sogleich auf, und ein warmes Leuchten trat in seine Augen.
Sie winkte mit der Einladung. »Mrs. Weston veranstaltet eine Abendgesellschaft und hat uns eingeladen. Die ganze Nachbarschaft scheint geladen, und ich würde am liebsten zusagen, aber solange Tynedale dort ist …«
»Und das ist er«, erwiderte Julian und deutete auf seinen Brief. »Charles hat mir geschrieben, um mich davon in Kenntnis zu setzen.«
»Warum tut er das? Denkst du, Charles weiß, welche Rolle Tynedale bei unserer Eheschließung gespielt hat?«
»Nein, er warnt mich wegen Tynedales Schuld an Daniels Tod - er weiß, wie ich darüber denke.«
»Und er verabscheut ihn deswegen nicht?«, erkundigte sich Nell neugierig. »Mochte er Daniel nicht auch?«
»Ich zweifle nicht an Charles’ Zuneigung für Daniel. Er hat mir selbst gesagt, er habe ihn geliebt wie einen Sohn und gebe sich selbst die Schuld an dem, was geschehen ist«, sagte Julian. »Und ich habe Charles gebeten, mir
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