Skandalöse Küsse - Scandal Becomes Her
möglich zu benehmen - oder uns wenigstens in Ruhe zu lassen.
Vielleicht überstehen wir die Nacht ohne Skandal … oder Blutvergießen.«
Nell warf ihm einen besorgten Blick zu. »Du denkst doch nicht, dass er dumm genug wäre, …«
Julian zuckte die Achseln. »Bislang scheint er sich genauso zu benehmen, wie er sollte. Er hält sich diskret im Hintergrund und hat keine Anstalten unternommen, sich unter irgendeine Gruppe zu mischen, zu der ich gehöre.« Er sah sie an. »Und noch wichtiger, er hat nicht die Torheit begangen - oder die Unverschämtheit besessen -, dich um einen Tanz zu bitten.«
»Allerdings nicht!«, rief Nell. »Einmal kam er auf mich zu, und ich dachte, er würde es wagen, aber dann schien er es sich anders zu überlegen und forderte stattdessen die Schwester des Vikars auf.«
Er fuhr ihr mit einem Finger liebevoll über die Wange. »Das ist auch gut so - ich würde ihn nur ungern fordern.« Er stahl sich einen kurzen Kuss. »Von Tynedale einmal abgesehen, amüsierst du dich gut?«
Sie schenkte ihm ein Lächeln. »Aber sicher doch. Charles ist ein wunderbarer Tänzer und kennt die erstaunlichsten Geschichten. Hast du wirklich einen toten Fisch in das Körbchen für die Kollekte gelegt, als du neun warst?«
Julian lachte. »Schuldig im Sinne der Anklage. Himmel, das hatte ich ganz vergessen. Typisch, dass Charles es wieder aufwärmt.«
»Es ist schön, dass die Schwierigkeiten zwischen euch beigelegt sind, nicht wahr?«
Julian rieb sich das Kinn. »Ich weiß nicht, ob sie ganz beigelegt sind, aber wir verkehren wieder auf freundschaftlicherem Fuß als seit Jahren - und das ist auf jeden Fall wunderbar.«
Schließlich wurden die Gäste in den Speisesalon geleitet, wo ihnen ein ebenso erlesenes wie reichhaltiges Mahl serviert wurde. Alle waren bester Laune, und Lachen füllte den Raum. Am Ende des Dinners erhob sich Mrs. Weston, führte die Damen in den vorderen Salon und überließ die Herren ihrem Portwein.
Nell war müde. Obwohl sie sich bestens unterhalten hatte an diesem Abend, war sie nicht frei von Sorgen gewesen. Es war anstrengend, ständig darauf zu achten, ob Tynedale Julian zu nahe kam, und ihm dabei selbst aus dem Weg zu gehen, ohne dass es offensichtlich war. Allmählich forderte die Anstrengung ihren Preis. Sie zweifelte nicht daran, dass sie seine Avancen abwehren konnte, wenn er es wagte, sich ihr zu nähern, aber Julians Reaktion auf seine Gegenwart beunruhigte sie. Sie hatte Spaß an der Gesellschaft, aber nicht so, wie wenn Tynedale nicht da gewesen wäre. Sie war sich Julians Liebe sicher, sodass sie sich nicht länger wegen eines Skandals sorgte, den Tynedale entfesseln konnte, wenn er Andeutungen über die Umstände machte, die zu ihrer Hochzeit mit Julian geführt hatten. Aber er war doch eine Schlange, wenn auch eine, die das meiste ihres Giftes bereits verspritzt hatte. Sie und Julian hatten sich ausgiebig damit beschäftigt, und ohne sich selbst als gewissenlosen Schuft bloßzustellen, konnte Tynedale nicht viel sagen - es sei denn, er täte so, als sei die Entführung in Wahrheit ein Durchbrennen gewesen. Und auch das konnte unangenehm werden.
Sie lächelte. Inzwischen war ihr das eigentlich recht egal - gemeinsam konnten sie und Julian allen etwaigen Gerüchten die Grundlage entziehen. Und doch stellte Tynedale eine potentielle Bedrohung für ihr zukünftiges Glück dar, und als die Damen den Speisesalon verließen, hegte sie die Befürchtung, er könne Julian zu etwas Unklugem verleiten. Zu wissen,
dass Tynedale und Julian sich im selben Zimmer aufhielten - auch wenn eine Reihe besonnener Herren außer ihnen dort war -, bereitete ihr Sorge. Sie würden trinken - und Herren, die dem Alkohol großzügig zusprachen, neigten zu Dummheiten …
Und Nells Sorge war nicht unbegründet. Tynedale hatte den ganzen Abend über seine wahren Gefühle verborgen, die Verbitterung, den Hass und die Eifersucht, die in ihm tobten, hinter tadellosen Manieren und einem höflichen Lächeln versteckt. Heimlich hatte er Julian und Nell beobachtet, den zärtlichen Ausdruck in Julians Augen bemerkt, wenn sie auf den liebreizenden Zügen seiner Frau ruhten, das Strahlen in Nells Gesicht, wenn Julian sie zum Tanz führte und ganz allgemein die Vertrautheit zwischen ihnen. Nur ein Narr hätte nicht erkannt, dass sie bis über beide Ohren verliebt waren. Und Tynedale war kein Narr.
Der Anblick von Nells deutlich gerundetem Bauch gab seiner Wut nur neue Nahrung, denn er wusste, dass
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