Skandalöse Küsse - Scandal Becomes Her
werde mich darum kümmern, dass gleich morgen früh der Arzt kommt.«
»Ach, das ist doch nicht nötig. Morgen wird es mir viel besser gehen«, widersprach sie. »Es war nur der Hummer in Butter.«
Er lächelte beschwichtigend. »Sicher, aber ich denke doch, dass es eine gute Idee wäre, Dr. Coleman, unseren Arzt hier, zu rufen. Er ist sehr gut, du wirst ihn mögen.«
Nell erhob weiter Einwände, aber Julian lächelte nur. Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn, sagte: »Jetzt schlaf. Wenn du irgendetwas benötigst, ruf einfach. Ich lasse meine Tür ein Stückchen offen, sodass ich es hören kann.«
Schließlich schlief Nell doch ein.
Als sie am nächsten Morgen aufwachte, schien die schwache Wintersonne in ihr Zimmer, das gestrige stürmische Regenwetter hatte sich verzogen - und ihre Übelkeit auch, stellte sie erfreut fest.
Sie stieg aus dem Bett und gönnte sich ein ausgedehntes
heißes Bad. Später, köstlich nach Nelken duftend und in einem bezaubernden Tageskleid aus hellgrünem Musselin, die dunkelblonden Locken im Nacken mit einer grünen Seidenschleife zusammengebunden, eilte sie zum Frühstückssalon. Marcus und Julian waren schon dort und erhoben sich bei ihrem Eintreten. Sie winkte ihnen, sich wieder zu setzen, schritt zu dem langen Sideboard und belud einen Teller mit mehreren Scheiben gebratenem Speck, einer Scheibe Schinken, Rühreiern, ein paar Heringen und zwei Scheiben gebuttertem Toast.
Marcus’ Gesichtsausdruck beim Anblick all des Essens bemerkend, lächelte sie breit. »Beunruhigend, nicht wahr? Aber ich hatte schon immer einen gesunden Appetit, und mein Vater hat stets darauf bestanden, dass die erste Mahlzeit des Tages üppig ausfällt.«
»Ich sehe, dass Sie unter keinen Nachwirkungen Ihrer gestrigen …. Unpässlichkeit wegen des Hummers in Butter leiden«, erklärte Julian nach einer gründlichen Musterung ihres Gesichtes.
»Allerdings nicht. Ich habe ja gesagt, dass ich keinen Arzt brauche.«
»Stimmt«, gab er ihr Recht, »aber ich fürchte, Sie werden ihn dennoch treffen. Ich habe bereits einen Diener geschickt, ihn zu holen.«
Nell rümpfte die Nase. »Hat irgendjemand Ihnen schon einmal gesagt, dass Sie von Zeit zu Zeit anmaßend und diktatorisch sind?«
»Wie überaus scharfsichtig von Ihnen, Mylady!«, rief Marcus und beugte sich vertraulich vor. »Ich habe ihm genau das immer wieder gesagt.« Er seufzte. »Leider, meine schöne Dame, ist er der großartige Earl of Wyndham und kann nicht begreifen, wovon wir bloßen Sterblichen sprechen.«
»Sag es mir noch einmal«, verlangte Julian von Marcus, »warum du einer meiner Lieblingscousins bist.«
Es war eine fröhliche Mahlzeit, und als sie zu Ende ging, bedauerte Nell, zu sehen, wie Marcus sich zum Aufbruch bereit machte. Sie und Julian winkten ihm von den breiten Eingangsstufen aus nach, und als sie ins Haus zurückgingen, erklärte sie: »Ich mag ihn.«
»Das freut mich. Marcus ist für mich mehr wie ein Bruder, weniger nur ein Cousin. Ich schätze ihn sehr.«
»Aber Raoul und Charles nicht?«
Er geleitete sie in sein Arbeitszimmer und antwortete: »Es ist schwierig, das jemandem zu erklären, der den familiären Hintergrund meiner Beziehung zu Charles nicht kennt. Es gab mal eine Zeit, da standen wir uns sehr nahe, aber …«
»Aber …?«
Er bedeutete ihr, auf einem Sessel in der Nähe des Kamins Platz zu nehmen, und begann: »Es ist kompliziert und bedarf einiger vorausgeschickter Erklärungen zu unserer Familiengeschichte, um es verstehen zu können.« Er verzog das Gesicht. »Es ist eine lange Geschichte.«
Sich in ihrem Sessel zurücklehnend sagte Nell: »Ich habe gerade sonst nichts zu tun.«
Er warf ihr einen Blick zu. »Sie können ziemlich hartnäckig sein, nicht wahr?«
Sie lächelte breit. »Und Sie anmaßend und diktatorisch.«
Julian lachte. »Oh, nun gut, wenn Sie es wissen müssen …« Er zögerte, seine gute Stimmung schwand. Gerade als sie schon meinte, er würde nicht fortfahren, sagte er: »Wie Ihre Brüder war auch mein Vater ein Zwilling.«
Nell schaute ihn überrascht an. »Eineiige Zwillinge, so wie Henry und Drew?«
Er nickte. »Ja, mein Vater - er hieß Fane - und sein Bruder
Harlan wurden nur wenige Minuten nacheinander geboren und glichen sich wie ein Ei dem anderen - wenigstens im Aussehen. Was das Wesen anging …« Er starrte ins Nichts. »In ihrem Wesen dagegen unterschieden sie sich sehr.« Er lächelte trocken. »Mein Großvater, der alte Earl, wie wir ihn nannten, war
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