Skandalöse Küsse - Scandal Becomes Her
Rattern von hölzernen Rädern und das Klingeln von Zaumzeug drangen ins Zimmer; sie schauten sich an. »Erwarten Sie Besuch?«, fragte Nell und erhob sich.
»Nein.«
Aus der Halle waren Aufruhr und Unruhe zu hören; als sie aus dem Arbeitszimmer traten, entdeckten sie Unmengen
Gepäck, Reisetruhen und Koffer zuhauf, und Dibble, der den verschiedenen Lakaien und Zimmermädchen Anweisungen gab, was das Chaos nur noch verschlimmerte.
Eine Gestalt in einem zobelbesetzten Mantelkleid und mit einem kecken scharlachroten Hut, verziert mit Straußenfedern, stand in der Mitte des Wahnsinns. Als sie Julian und Nell am Rand entdeckte, quietschte sie und warf sich dem verdutzten Julian an die Brust. »Oh, Julian!«, rief sie. »Ich weiß, ich habe gesagt, es würde noch Wochen dauern, ehe ich hier eintreffe, konnte es aber keinen Moment länger aushalten in London. Ich musste nach Hause kommen. London ist einfach ganz furchtbar ohne dich.«
Augenscheinlich war Lady Diana, die Dowager Countess Wyndham, eingetroffen.
Kapitel 10
I hrer Mutter auf dem Fuße folgte Elizabeth, deren hübsches Gesicht eine chinchillagefütterte Kapuze umrahmte. »Es tut uns so leid«, sagte sie, »dass wir unangekündigt hier hereinplatzen, aber Mutter hat sich wirklich nach dem Land gesehnt.« Sie lächelte Nell schüchtern an. »Ich hoffe, es stört Sie nicht! Und dass wir keine allzu großen Unannehmlichkeiten machen!«
»Aber natürlich tun wir das nicht«, widersprach Lady Diana pikiert. »Ich sollte doch meinen, wir können in unser Zuhause heimkehren, wann immer wir wollen, ohne Probleme zu bereiten.« Sie richtete ihre schmelzenden Augen auf Julian. »Stimmt das nicht, Julian? Du würdest deiner Stiefmutter doch nie das Dach über dem Kopf verwehren, oder?«
Julian sah aus wie ein Mann, der sich plötzlich einer Horde wilder, hungriger Löwen gegenüberfindet, und blickte sich verzweifelt nach einem Fluchtweg um.
Zwischen Belustigung und Ärger über Dianas Theater hinund hergerissen, erbarmte sich Nell seiner. »Selbstverständlich nicht! Ich bin sicher, dass - vom Dower House einmal abgesehen - mein Mann genug Besitzungen sein Eigen nennt, um immer ein passendes Dach für Sie zu finden.« Sie ging zu Diana, befreite Julian geschickt aus ihren Armen und hakte sich bei ihr unter, schenkte ihr ein herzliches Lächeln und erklärte: »In der Zwischenzeit sind wir mehr als glücklich, wenn Sie und Elizabeth bei uns zu Besuch bleiben.«
Lady Diana und Elizabeths warme Kleidung wurden ihnen abgenommen, und einen Moment später führte Nell eine leicht widerstrebende Diana durch die elegante Halle. »Es wird so nett sein, weibliche Gesellschaft zu haben! Und nach der langen Reise, da bin ich sicher, wollen Sie sich gewiss frisch machen und ein wenig ausruhen«, verkündete Nell fröhlich, als sie ihre Stiefschwiegermutter mit sich nahm - oder zutreffender zog. »Wir hatten schon mit den Vorbereitungen für Ihre Ankunft begonnen, daher denke ich, es wird die Dienstboten nicht viel Zeit kosten, bis Ihre Räume fertig sind.« Sie schaute über ihre Schulter zu Dibble. »Das stimmt doch, Dibble?«
Dibble, der bewunderte, wie sie die Situation meisterte, verbeugte sich und sagte: »Absolut, Mylady.«
»Ausgezeichnet! Aber zuerst werde ich uns Tee und Kekse im Grünen Salon servieren lassen. Dibble?«
Wieder verbeugte der Butler sich. »Sehr wohl. Ich werde es sogleich veranlassen.«
Nell schenkte Diana ein strahlendes Lächeln. »Sehen Sie? Alles ist geregelt. Wenn Sie und Elizabeth nun mit mir kommen wollen, ziehen wir uns in den Grünen Salon zurück, damit Sie mir von Ihrer Reise berichten können.«
Julian stand ein bisschen verloren inmitten der Gepäckberge und schaute dem Trio hinterher. Ein Lächeln spielte um seinen Mund, als sein Blick an Nells schlanker Gestalt hängen blieb. Bei Jupiter! Das war knapp gewesen. Wenn Nell nicht zu seiner Rettung gekommen wäre, stünde er vermutlich immer noch da, stocksteif wie ein Kaninchen, das von den Jagdhunden in die Ecke getrieben wurde.
Bei der Aussicht, seine Stiefmutter und seine Ehefrau unter demselben Dach wohnen zu haben, empfand er beinahe so etwas wie Heiterkeit, während er in sein Arbeitszimmer
zurückkehrte. Wenn es darum ging, welche von den beiden Frauen am Ende ihren Willen durchsetzen würde, würde er eher sein Geld auf Nell setzen. Wenn er an das meisterhafte Manöver dachte, mit dem Nell seiner Stiefmutter den Boden unter den Füßen entzogen hatte, musste er grinsen.
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