Skandalöse Küsse - Scandal Becomes Her
speisen.«
»Meiner Ehefrau solltest du gratulieren«, gestand Julian trocken. »Als sie hier ankamen, war alles, was ich anfangs tun konnte, schreckensstarr dazustehen wie ein Hirsch an der Klippe, vor sich der Abgrund, hinter sich die Jagdhunde. Nell war es, die die Lage gerettet hat. Sie behält auch in schwierigen Situationen einen kühlen Kopf.«
»So erfreulich dieses Thema auch sein mag«, bemerkte Marcus, »so habe ich doch nicht das Gefühl, dass sie der Grund für meine Einladung zum Essen ist. Sag mir nicht, dass Tynedale Ärger macht, ja?«
Julian schüttelte den Kopf. »Nein. Eigentlich ist die Nachbarschaft ruhig. Ich habe weder von Tynedale noch meinen Cousins etwas gehört oder gesehen. Vermutlich sollte ich mir deswegen Sorgen machen, aber ich kann ohnehin nichts unternehmen, bis sie den ersten Schritt machen … wenn sie einen machen.«
»Wenn nicht Tynedale oder Cousin Charles, was beunruhigt dich dann?«
Mit ernster Miene stellte Julian sein Glas ab, lehnte sich vor und fragte: »Hast du jemals Ärger mit Wilderern gehabt?«
Marcus schaute ihn verwundert an. »Nicht mehr, als man erwarten darf. Nichts Ernstes.«
»Kein sinnloses Gemetzel? Bei dem das Wild liegen gelassen wird?«
»Nie«, antwortete Marcus und runzelte die Stirn. »Und ich kann mir nicht vorstellen, solange John Hunter durch deine Wälder streift, dass einem Wilderer so wenig daran liegt, seinen Hals zu retten, dass er es riskieren würde, John in die Hände zu fallen.«
»Nun, da irrst du dich«, erwiderte Julian und begann ihm die Lage zu erklären.
»Eine hässliche Angelegenheit«, sagte Marcus, nachdem Julian zu Ende gesprochen hatte.
Julian nickte. »Ich habe John die Erlaubnis gegeben, ein paar extra Leute anzuheuern, um ihm dabei zu helfen, nachts die Gegend abzuwandern. Er möchte Fallen aufstellen, aber davon will ich nichts wissen - ich will es nicht auf meinem Gewissen haben, wenn ein Mann verletzt oder gar getötet wird, nur weil er auf meinem Land gewildert hat.«
»Es hört sich für mich aber gar nicht so an, als würde er wildern«, widersprach Marcus.
»Da hast du natürlich Recht. Und ich will verdammt sein, wenn ich weiß, was ich tun soll! Ich kann nur hoffen, dass John den Kerl fasst und die Sache erledigt ist.« Er starrte in sein Glas. »Ich habe den Damen noch nichts davon erzählt - ich möchte nicht, dass sie sich Sorgen machen - und sie müssen es auch nicht wissen. Sie gehen schließlich nicht auf die Jagd.«
Marcus musste grinsen. »Bist du dir da ganz sicher? Ich würde es nicht ausschließen, dass deine Frau sich als ausgezeichnete Jägerin entpuppen könnte.«
»Gut möglich«, räumte Julian lächelnd ein. »Sie hat mich mehr als einmal überrascht.«
»Aber nicht unangenehm?«
Julian schüttelte den Kopf. »Nein. Du siehst vor dir einen zufrieden verheirateten Mann, der dem Schicksal dankbar ist.«
»Und auch glücklich?«
Julian zögerte. »Ja, auch ein glücklicher.«
Marcus nahm Julians Behauptung, glücklich zu sein, kommentarlos hin, aber in Wahrheit war Julian leicht besorgt und nicht wirklich glücklich, aber auch nicht unglücklich in seiner Ehe. Der Zustand seiner Beziehung zu Nell hatte ihn oft in letzter Zeit beschäftigt, und er konnte einfach nicht entdecken, warum ein leises, aber doch beunruhigendes Gefühl von Unzufriedenheit ihn plagte. Er hatte eine hübsche, liebevolle Frau, die seinen Haushalt reibungslos führte und die seine nächtlichen Besuche freudig begrüßte, deren williger weicher Körper ihm höchstes Entzücken bereitete, dennoch … etwas fehlte. Wenn er Nells Schlafzimmer betrat, hieß sie ihn so leidenschaftlich willkommen, wie ein Mann es sich nur wünschen konnte, doch er spürte, dass sie einen Teil von sich zurückhielt, vor ihm verbarg. Da gab es, gestand er sich beunruhigt, eine Barriere zwischen ihnen. Es war nichts Offensichtliches, aber sie war da. Sie zeigte sich in der Art, wie Nell ihn manchmal betrachtete, als suchte sie nach etwas, als vermisste sie etwas an ihm. Diese Barriere zeigte sich auch darin, wie sie mit einem Lächeln und einer flapsigen Bemerkung seine Versuche abtat, ihr ein Kompliment zu machen oder mit ihr zu flirten. Er schnaubte abfällig. Es war ein trauriger Tag, wenn ein Ehemann dazu gezwungen war, mit seiner eigenen Frau zu flirten, die aber nichts davon wissen wollte. Sie war schwer zu fassen … entzog sich ihm … ja, das
war es. Das war der richtige Ausdruck. Er konnte es nicht erklären, aber er spürte
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