Skandalöse Küsse - Scandal Becomes Her
schien.
Nell hatte gerade ihre zweite Tasse Tee getrunken und fühlte sich schon viel besser, als der Klang von Männerstimmen vom Flur her zu hören war. Sie versteifte sich. Es war noch viel zu früh, als dass es Julian sein konnte, also blieb nur …
Zwei Männer betraten den Salon, beide in wildledernen Reithosen und Stiefeln, der eine so blond und hell wie der andere schwarzhaarig und dunkel. Die typischen Westonzüge, allerdings leicht durch französischen Einschlag abgewandelt, machten es Nell leicht, Raoul zu identifizieren, Westons jüngeren Halbbruder. Was den anderen anging … es war ein Gesicht, das sie nie vergessen würde. Eine ihrer Hände ballte sich zur Faust, und nur mit größter Willensanstrengung war es ihr möglich, auf dem Sofa sitzen zu bleiben, statt aufzuspringen und sich auf Lord Tynedale zu stürzen, um ihm die blauen Augen auszukratzen.
Beide Männer blieben stehen, überrascht, den Raum - mit Ausnahme Westons - voller Frauen zu finden. Raoul erholte sich als Erster und eilte zum Sofa.
»Nein, sagen Sie nichts«, rief er und schenkte Nell ein herzliches Lächeln. »Sie sind die neue Gemahlin meines Cousins und gekommen, uns Ihre Aufwartung zu machen, richtig?«
Lady Diana übernahm hastig die Vorstellung und erklärte die Situation.
»Welche Gründe auch immer dafür verantwortlich sind, dass Sie hier sind, Lady Wyndham, es ist mir auf jeden Fall eine Freude, Sie kennen zu lernen«, bemerkte Raoul Weston. »Meinem Cousin kann man nur gratulieren, eine so liebreizende Dame zur Gattin gewählt zu haben.«
Nell murmelte eine höfliche Erwiderung, wappnete sich innerlich gegen Tynedale, der zu ihr kommen musste. Was er tat. Ein hinterhältiges Lächeln um den gut geschnittenen
Mund, beugte er sich über ihre Hand und sagte leise: »Meine liebe, liebe Countess, erlauben Sie mir, Ihnen zu Ihrer Hochzeit Glück zu wünschen. Sie hätten mich mit einer Feder umwerfen können, als ich die Neuigkeiten erfuhr - ich für meinen Teil, hätte nie gedacht, diesen Tag zu erleben.« Boshaftigkeit lauerte in seinen blauen Augen, als er hinzufügte: »Wir alle dachten, Lord Wyndham habe sein Herz mit der wunderschönen Lady Catherine begraben, aber was macht er? Er kauft uns allen den Schneid ab und stiehlt uns eine weitere schöne Erbin einfach unter der Nase weg. Seine Geistesgegenwart und sein schnelles Handeln haben mir schier den Atem geraubt. Sehr weitsichtig von ihm, die … äh, Gunst der Stunde zu nutzen, nicht wahr?«
Hass und Verachtung rangen in Nells Brust miteinander, und sie entriss ihm ihre Hand. »Ja, Lord Wyndhams Intellekt verlangt jedem höchste Bewunderung ab«, antwortete sie. »Und ich bewundere und achte Männer mit Verstand, Charme und Haltung.« Sie lächelte mädchenhaft. »Verglichen mit meinem Gatten muss ich leider zugeben, dass die meisten Männer … äh, nun … ziemlich ungehobelt und gedankenlos wirken.«
Tynedale lachte kurz. »Ah ja, nun, Mylady, das bleibt abzuwarten. Manche von uns mögen gelegentlich unbedacht oder gar töricht aussehen und Fehler machen, aber ich versichere Ihnen, wir begehen selten den gleichen zweimal.«
»Warum«, beklagte sich Weston und kam herüber, stellte sich hinter das Sofa, »habe ich eigentlich das Gefühl, zu dem zweiten Akt eines Dreiakters gekommen zu sein?«
Nell wurde rot und blickte auf ihre Hände. Sie hatte sich nicht vor allen auf ein Wortgefecht mit Tynedale einlassen wollen, aber die Provokation war zu groß gewesen. Unter ihren Wimpern hervor musterte sie ihn, als er Westons Bemerkung
mit einem Lachen abtat. Er war ein Schurke und von Grund auf böse, und sie hasste ihn abgrundtief. Ohne sein Zutun wäre sie immer noch schlicht Miss Eleanor Anslowe. Eine Sekunde stolperte ihr Herzschlag. Wünschte sie sich das wirklich? Dass sie Julian nie kennen gelernt hätte und auch nicht geheiratet? Ja, dachte sie ungestüm, wenn sein Herz mit Lady Catherine begraben ist, dann schon.
Die Unterhaltung wandte sich allgemeineren Themen zu, und Nell entspannte sich langsam, ließ die anderen reden, während sie zuhörte. Sie hasste es, Tynedales mit verborgenen Widerhaken durchsetzte Plauderei ertragen zu müssen, und sie war sich überdeutlich Westons Nähe bewusst, der hinter ihr stand. Aus Weston wurde sie nicht klug. Er war nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatte, und wenn sie ihn unter anderen Umständen zum ersten Mal treffen würde, könnte sie ihn sogar mögen. Auf der anderen Seite …
Während die Minuten
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