Skandalöse Küsse - Scandal Becomes Her
verglichen mit dem Schock, den ich hatte, als ich dich so traulich neben Tynedale sitzen sah.«
Sie drehte sich rasch zu ihm um; ihr Kinn kämpferisch gereckt, entgegnete sie scharf: »Wie ich dir schon gesagt habe, hatte ich keine Wahl. Er hat sich einfach neben mich gesetzt, und ich konnte es nicht verhindern.«
Julian wollte ihr das glauben, aber der Anblick seiner jungen Frau, wie sie augenscheinlich gelassen neben dem Mann saß und mit ihm plauderte, der sie angeblich vor kaum drei Monaten entführt hatte, hatte ihm einen Stich versetzt und den grünäugigen Dämonen der Eifersucht in ihm geweckt. Er hatte den albernen Gecken Tynedale vom Sofa zerren wollen und ihn wie einen tollen Hund schütteln. Was Nell anging, hatte er sich nur mit Mühe beherrscht, dass er sie nicht einfach
in seine Arme riss und verlangte, dass sie ihm nie wieder einen solchen Schrecken einjagen solle.
Dass Nell etwas für ihn empfand, eine gewisse Zuneigung vielleicht sogar, bezweifelte er nicht, aber er war sich auch der Tatsache bewusst, dass sie etwas von sich vor ihm zurückhielt. Er versuchte nicht zu sehr darüber nachzudenken oder dem Umstand zu viel Bedeutung beizumessen, aber er hatte das kaum merkliche Zurückziehen wahrgenommen - das sanfte Lösen ihrer Hand aus seiner, das leichte Abwenden ihres Kopfes, sodass sein Kuss ihre Wange traf. Der nagende Verdacht, dass sie sich weiter von ihm entfernte, sich ihm entzog, erfüllte ihn mit hilflosem Schrecken. Er wollte sie packen und sie schütteln, verlangen, dass sie ihn liebte … so, erkannte er mit einem Mal, wie er sie liebte.
Verblüfft starrte er sie an. Er liebte sie! Er schüttelte den Kopf, konnte kaum glauben, wie ihm geschah. Er, der Mann, der nie daran gedacht hatte, sich zu verlieben, hatte eben diese größte Torheit von allen begangen - und zwar bei seiner eigenen Frau!
Er starrte Nell mit verschlossener Miene an, während er noch zu begreifen versuchte, was genau so unerklärlicherweise mit ihm passiert war. Er liebte diese zarte Frau mit den großen, meergrünen Augen und der wilden Mähne dunkelblonden Haares. Liebte sie, wie er sich nie vorgestellt hätte, einen anderen Menschen zu lieben. Auf geheimnisvolle Weise war sie seine Welt geworden … und wenn er die Situation nicht völlig falsch deutete, entglitt sie ihm.
Als er wieder daran denken musste, wie sie heute neben Tynedale gesessen hatte, regte sich die Eifersucht wie ein aufgeweckter Drache in seiner Brust, und zum ersten Mal begann er sich zu fragen, ob Tynedales Entführung wirklich nur von ihm ausgegangen war, wie sie es behauptete.
Er hatte ihr geglaubt … damals. Aber jetzt begann er sich zu wundern. Hatte die Entfremdung zwischen ihnen mit der Nachricht eingesetzt, dass Tynedale sich in der Gegend aufhielt? Könnte die so genannte Entführung schlicht ein Durchbrennen gewesen sein? War es ein Streit unter Liebenden, der Nell in den Sturm hatte laufen und Schutz in dem Zollwärterhäuschen suchen lassen? Und vielleicht hatte sie sich bloß am nächsten Morgen vor ihm und ihrem Vater nicht dazu überwinden können, es zuzugeben? Waren die Ereignisse einfach ihrer Kontrolle entglitten, sodass sie schließlich entschieden hatte, das Beste daraus zu machen? Er zuckte zusammen. Schlimm genug, wegen seines Titels oder Reichtums geheiratet zu werden, aber geheiratet zu werden, weil es einfach die einzige Lösung des Problems war, war unerträglich … besonders jetzt, da er in sie verliebt war.
»Mylord«, sagte Nell und unterbrach seine Überlegungen, »sicherlich wollen Sie nicht andeuten, dass ich Lord Tynedale ermutigt hätte, oder?«
Immer noch unter dem Schlag der Erkenntnis seiner Liebe schwankend und von Eifersucht und Verunsicherung geplagt, erwiderte Julian halblaut: »Ich weiß nicht, was ich noch glauben soll.«
Nell schnappte empört nach Luft. Er zweifelte an ihren Worten! Ihre grünen Augen funkelten aufgebracht, als sie ihm entgegenschleuderte: »Dann schlage ich vor, dass, bis Sie zu einem Entschluss gekommen sind, Sie sich mir nicht mehr aufdrängen.«
»Aufdrängen?«, wiederholte er, von ihrer Äußerung wie von den Enden einer neunschwänzigen Katze getroffen. Stolz und sein Temperament verleiteten ihn zu der Bemerkung: »Nun gut, Mylady, dann wünsche ich Ihnen eine gute
Nacht. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, dass ich mich Ihnen weiter aufdrängen werde!«
Nell schaute zu, wie er aus dem Zimmer marschierte, und ihre Gefühle schwankten zwischen Empörung, Zorn
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