Skeleton Key: Alex Riders Dritter Fall
erkennen. Ungefähr ein Dutzend Personen hatte sich versammelt, man trank Champagner und aß Kanapees, die von jungen Dienstmädchen mit weißen Schürzen auf Silbertabletts gereicht wurden. Die vier Leibwächter des Präsidenten bildeten eine eng geschlossene, wachsame Gruppe. Weitere sechs Männer der russischen Delegation unterhielten sich mit den Mädchen vom Pool, die glitzernde Pailletten und Schmuck trugen.
Der Präsident sprach gerade mit Sarow. Er hielt in einer Hand ein Glas und in der anderen eine riesige Zigarre. Sarow sagte etwas und der Präsident lachte, wobei Rauchwolken aus seinem Mund aufstiegen. Sarow entdeckte Alex und lächelte.
»Ah, Alex! Da bist du ja! Was möchtest du trinken?«
Offenbar waren die Ereignisse vom Nachmittag bereits vergessen. Oder jedenfalls für den Augenblick. Alex bat um einen Orangensaft, den man ihm sogleich reichte.
»Ich bin froh, dass du da bist, Alex«, sagte Sarow. »Diesen Abendempfang wollte ich nicht ohne dich beginnen.«
Alex erinnerte sich, dass Sarow am Pool eine Bemerkung über eine Überraschung gemacht hatte. Der Gedanke an das bevorstehende Abendessen wurde ihm immer unheimlicher.
Das Trio beendete das Musikstück und einige der Gäste applaudierten. Dann ertönte ein Gong und die Gäste betraten den Speisesaal. Es war derselbe Raum, in dem Alex und Sarow das Frühstück eingenommen hatten, aber jetzt hatte man dort alles für ein Bankett hergerichtet. Kristallgläser und glänzend weißes Porzellangeschirr standen auf dem Esstisch; das Besteck war auf Hochglanz poliert worden. Das weiße Tischtuch wirkte wie neu. Der Tisch war für dreizehn Personen gedeck t – sechs an jeder Seite und ein Stuhl am Kopfende. Die Anzahl der Gäste verstärkte Alex’ ungutes Gefühl. Dreizehn beim Abendesse n – das konnte nur Unglück bedeuten.
Alle nahmen ihre Plätze ein. Sarow saß am Kopfende, mit Kirijenko zur Rechten und Alex zur Linken. Die Türen öffneten sich und die Dienstmädchen trugen Schalen herein, die mit einer schwarzen Masse gefüllt ware n – Kaviar, wie Alex bemerkte. Vermutlich hatte Sarow den Kaviar direkt vom Schwarzen Meer einfliegen lasse n – der Inhalt der Schalen musste viele Tausend Dollar wert sein! Zum Kaviar trinken Russen traditionell Wodka, und während die üppigen Kaviarschalen überall auf dem Tisch verteilt wurden, erhielten die Gäste kleine, bis zum Rand gefüllte Wodkagläser.
Sarow erhob sich.
»Meine lieben Freunde!«, begann er. »Ich hoffe, Sie verzeihen mir, dass ich Englisch spreche. Leider befindet sich ein Gast an diesem Tisch, der unsere ruhmreiche Sprache erst noch lernen muss.«
Die Gäste lächelten und ein paar Köpfe nickten in Alex’ Richtung. Alex starrte verlegen auf das Tischtuch und wusste nicht, ob von ihm eine Antwort erwartet wurde.
»Für mich hat der heutige Abend eine ganz besondere Bedeutung«, fuhr Sarow fort. »Was kann ich Ihnen über Boris Nikita Kirijenko erzählen? Er ist seit über fünfzig Jahren mein engster und teuerster Freund! Das kommt mir eigenartig vor, weil ich mich eigentlich an ihn als ein Kind erinnere, das gern Tiere quälte, immer weinte, wenn sich andere Jungs prügelten, und das nie die Wahrheit sagte.« Alex blickte zu Kirijenko hinüber. Der Präsident runzelte die Stirn. Sarow machte vermutlich Witze, aber sein Gast fand das nicht besonders komisch. »Noch unglaublicher ist, dass man diesem Mann das Privileg, die heilige Ehre übertrug, unsere ruhmreiche Nation in diesen schweren Zeiten zu führen. Nun, Boris ist zu uns gekommen, um hier seinen Urlaub zu verbringen. Ich bin sicher, dass er nach so viel harter Arbeit den Urlaub verdient. Deshalb bringe ich meinen Toast auf seinen Urlaub aus! Ich hoffe, dass er länger und unvergesslicher werden wird, als sich Boris das je vorgestellt hätte!«
Am Tisch herrschte betroffenes Schweigen, Alex sah, dass die Gäste sich wunderten. Vielleicht hatten sie auch Sarows englische Ansprache nur teilweise verstanden, aber er glaubte, dass sie den Sinn sehr wohl begriffen hatten. Sie hatten hier ein gutes Abendessen in angenehmer Atmosphäre erwartet; stattdessen hatte Sarow dem russischen Präsidenten offenbar Beleidigungen aufgetischt!
»Alexei, alter Freund!«, rief der Präsident gutmütig. Er schien entschlossen, die Sache nur als misslungenen Scherz abzutun. Lächelnd fragte er auf Englisch mit seinem harten Akzent: »Warum trinkst du nicht mit uns?«
»Du weißt, dass ich keinen Alkohol trinke«, gab Sarow zurück.
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