Skelett
verlassen auf der M3 gefunden. Wir haben der Polizei den Vorfall gemeldet, aber die hat sich nicht sonderlich dafür interessiert. Der Fahrer hat sich übrigens schnell wieder erholt und keine Schäden davongetragen. Merkwürdige Geschichte, finden Sie nicht?«
»Sehr merkwürdig«, sagte Tweed.
Nachdem sie ihre Vor- und Hauptspeise gegessen hatten, beschloss Lucinda, eine kleine Zigarettenpause einzulegen. Die Flasche mit dem Champagner war leer, wobei Lucinda das meiste getrunken hatte.
»Erzählen Sie mir von Larry«, sagte Tweed. »Was ist er für ein Mensch?«
»Er ist ein brillanter Kopf. Ein Mann, der ganz konkrete Vorstellungen hat. Dumme Menschen kann er nicht ertragen, bei denen kann er manchmal richtig unangenehm werden. Außerdem reist er gern und besucht unsere wichtigen Kunden in aller Welt. Wir wissen oft nicht, wo er sich gerade aufhält. Er arbeitet sehr selbständig.«
»Und wie war Michael, bevor er sein Gedächtnis verlor?«
»Da haben wir’s!« Lucinda drohte ihm scherzhaft mit der Zigarettenspitze. »Ich wusste doch, dass Sie nur hier sind, um mich zu verhören.«
»Wo denken Sie denn hin … Ich bin einfach an Menschen interessiert, das ist alles.«
»Das glaube ich Ihnen aufs Wort«, entgegnete Lucinda lachend. »Also, Michael ist sogar noch intelligenter als Larry. Er ist ein großartiger Vertriebsleiter und geht uns deshalb momentan sehr ab. Zum Glück hat er zwei Kollegen eingearbeitet, die den Laden jetzt einigermaßen schmeißen, auch wenn sie nicht über Michaels Gespür und Tatkraft verfügen. Gantia wird überleben, auch wenn Michael nicht mehr einsatzfähig ist. Aber lassen wir das Thema. Mich interessiert brennend, ob Sie diese beiden Leichen aus dem Dartmoor schon identifiziert haben.«
Statt ihr eine Antwort zu geben, zog Tweed ein Seidentuch aus der Tasche, schlug es auf und zeigte Lucinda den Ring, den Saafeld im Grubenschacht gefunden hatte. Als er ihr vorlas, was darin eingraviert war - »Von Lee für Lucinda« -, reagierte sie bestürzt.
»Du meine Güte! Wo haben Sie denn diesen Ring her? Lee hat ihn für mich gekauft, aber ein solch teures Geschenk wollte ich nicht annehmen. Daraufhin hat sie ihn selber getragen.«
»Wie heißt diese Lee mit Nachnamen? Und wo ist sie jetzt?«
»Lee Charlton«, antwortete Lucinda. »Sie trägt noch immer ihren Mädchennamen, obwohl sie mit Aubrey Greystoke verheiratet ist, einem unserer Direktoren.«
»In welcher Funktion ist er Direktor?«
»Sie stellen heute aber Fragen!« Lucinda nahm einen Schluck Champagner. »Aubrey ist der Leiter unserer Finanzabteilung. Mit der Ehe der beiden steht es nicht gerade zum Besten. Was mich nicht überrascht, immerhin …« Sie hielt plötzlich inne und blickte zum Eingang des Restaurants. »Ist denn das die Möglichkeit? Dort kommt er gerade mit seiner jungen Freundin zur Tür herein. Wenn man vom Teufel spricht …«
Tweed drehte sich um. Bei Greystoke handelte es sich um einen hoch gewachsenen, gut gebauten Mann Anfang fünfzig. Er trug einen Smoking und ließ mit selbstzufriedener Miene einen herrischen Blick durch das Restaurant schweifen. Sein dichtes braunes Haar war exzellent geschnitten, und auf seiner aristokratischen Nase über dem sinnlich geschwungenen Mund saß eine Brille mit Goldrand. Obwohl Lucinda sofort in eine andere Richtung geschaut hatte, steuerte er mit einem breiten Grinsen direkt auf sie zu.
An Greystokes Arm hing eine zierliche junge Frau, die ihr schwarzes Haar schulterlang trug. Die ist sicher noch keine dreißig Jahre alt, dachte Tweed.
»Na, Lucinda, auch mal wieder aus?«, sagte Greystoke mit arroganter Stimme und fügte mit einem Blick auf seine Begleiterin hinzu: »Martina Martello kennen Sie ja.«
»Gibt es was Neues von Lee?«, fragte Lucinda kühl.
»Nicht die Bohne. Sie wissen doch, wie sie ist.«
»Wie ist sie denn?«
»Sie jagt irgendwo auf der Welt ihrem Glück hinterher, nehme ich mal an.«
»Willst du mich nicht dem Herrn vorstellen, Aubrey«, mischte sich Martina in das Gespräch ein.
»Gern, meine Liebe, nur kenne ich ihn leider selbst nicht.«
Tweed stand auf und stellte sich vor. Als er Martina Martello die Hand gab, schenkte sie ihm ein dankbares Lächeln, was Greystoke wiederum ein säuerliches Gesicht ziehen ließ.
»Tweed? Sind Sie nicht dieser Polizist, der die unseligen Vorfälle im Dartmoor untersucht?«
»So ungefähr«, antwortete Tweed steif. »Soweit man mich als Polizisten und zwei außergewöhnlich brutale Morde als
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