Skin Game 02 - Verhängnisvoller Verrat
zusammengebissenen Zähnen versuchte er den Ansturm der Gefühle zu unterdrücken, und setzte sich Beulah gegenüber.
Sie hatte ein Zimmer für sich allein, in dem sich auch eine kleine Sitzecke befand. Obwohl sie nichts sehen konnte, war alles in heiteren Farben eingerichtet. Für das Geld, das er hier zahlte, hätte er ihr auch eine Wohnung in Aspen kaufen können, wäre sie imstande gewesen, sich selbst zu versorgen. Aber die Blindheit und starke Arthritis machten es ihr schwer, den Alltag zu bewältigen.
»Geht es dir gut, mein Sohn?«
Er umklammerte die Armlehnen des Stuhls, wollte nicht mehr lügen. Nie wieder. Noch ein Mal, und er würde die Beherrschung verlieren. »Nein.«
»Möchtest du mir davon erzählen?«
Überhaupt nicht.
Doch er hörte sich sagen: »Ich trauere um jemanden.«
»Ach, mein Lieber, das tut mir aber leid. Wer ist es denn?«
Nein, nein! Wenn er es nun laut sagte, würde er es eingestehen und müsste es tatsächlich akzeptieren, damit klarkommen, dass er ein zweites Mal versagt hatte. Er kniff die Augen zu und verspürte einen tiefen intensiven Schmerz, der ihn innerlich schier aufzufressen drohte. Mit seiner Unnahbarkeit, seiner eisigen Zurückhaltung war es vorbei.
»Die Frau, die ich geliebt habe.« Die Worte fühlten sich wie Rasierklingen in der Kehle an.
»Ich wusste nicht, dass du jemanden umworben hast.« Sie klang bestürzt. »Ich wünschte, du hättest sie mir vorgestellt.«
»Ich auch«, entgegnete er leise.
Beulah beugte sich vor und tastete nach ihm. Einen kurzen Moment lang überlegte er, ob er sich ihr entziehen sollte, dann kam er ihr jedoch entgegen und nahm ihre Hand. Sie verschränkte ihre Finger mit seinen und drückte sie. Er befürchtete, sie würde ihm nun mit Plattitüden kommen, von Gott und dem Himmel erzählen, und von Menschen, die jetzt auf sie herablächelten.
Doch sie schwieg.
Und nach ein paar Augenblicken der Stille versetzte sie ihm schließlich einen Schock. »Hast du es nicht getan, weil ich nicht deine richtige Mutter bin?«
Oh Beulah, du kluge alte Dame.
»Wie lange weißt du es schon?« Leugnen wäre sinnlos gewesen. Er wunderte sich nur darüber, dass sie die ganze Zeit über bei der Täuschung mitgespielt hatte.
Sie seufzte. »Ach, mein Lieber, es war mir von Anfang an klar.«
»Warum hast du dann …?«
»Das ist also deine echte Stimme. Sie klingt angenehm. Gebildet. Und … einfach gut. Ich dachte mir, wenn du so dringend eine Mutter brauchst, dass du dafür sogar lügst, dann breche ich mir auch keinen Zacken aus der Krone, wenn ich mitspiele. Und du hast all die Jahre so zuverlässig für mich gesorgt.« Sie richtete ihren leeren Blick zur Decke. »Besser als Jimmy Lee. Ist er tot? Ich habe mich das immer gefragt.«
»Er sitzt im Gefängnis. Es wird noch eine Weile dauern, bis er freikommt.«
»Ich wünschte, ich könnte sagen, dass mich das überrascht.« Sie wirkte traurig, ihre Stimme klang heiser. »Er war nie ein … guter Junge. Die Wahrheit ist: Ich liebe dich wie einen Sohn und kenne nicht mal deinen Namen. Aber du warst immer so gut zu mir. Deine Besuche – oje, jetzt kommen mir auch noch die Tränen.« Sie schloss die Augen.
»Ich wollte dich nicht zum Weinen bringen.«
Sie schniefte und trocknete sich die Tränen mit einem weichen, bestickten Stofftuch, das sie aus der Tasche ihres Hausmantels zog. »Das tut manchmal ganz gut. Bedeutet das nun, dass du nicht mehr kommst, nachdem du nun erfahren hast, dass ich Bescheid weiß?«
»Nein. Ich werde für dich da sein, solange du mich brauchst.«
Schließlich hatten sie beide sonst niemanden mehr.
Am Morgen bekam Mia bei den Dixons ein ordentliches Frühstück, dann fuhr Harold sie wie versprochen in die Stadt. Harmony war ein Örtchen mit einer einzigen Ampelkreuzung und einer Hauptstraße, an der sich alle Geschäfte befanden. Die Architektur hatte Anklänge an die Kolonialzeit.
Als der alte Mann den Motor des Wagens abstellte, überkam sie große Nervosität. Gleich würde sie bei der Polizei eine Falschaussage machen müssen. Und wahrscheinlich fragte man sie, wie der Kerl ausgesehen hatte. Mia schloss die Augen und nahm all ihren Mut zusammen, bevor sie schließlich aus dem alten Buick stieg, den Harold sicher als Oldtimer bezeichnen würde.
Das Polizeirevier befand sich in einem kleinen Backsteinbau. Im Inneren saßen vier Uniformierte und tranken Kaffee. Die meisten der Beamten waren weit über vierzig, immerhin gab es in diesem Städtchen wohl kaum
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