Skin Game 02 - Verhängnisvoller Verrat
sah elegant aus und war schnell. Dafür hatte sie gern Geld ausgegeben. Wie dankbar sie war, dass die Wohnung der Caldwells einen schnellen Internetanschluss hatte.
Sie brauchte fünf Minuten, um ihre IP-Adresse zu verbergen und ihre Anfrage über einen europäischen Server umzuleiten, dann drang sie in das Netzwerk der Firma ein. Es war zwar nicht ganz einfach hineinzukommen, aber um den National Trust handelte es sich bei der Personalabteilung auch nicht gerade. Dennoch stellte es für Mia keine größere Herausforderung dar, den Zugang zu knacken, und kurz darauf fand sie die gesuchte Adresse. Nachdem sie sie aufgeschrieben hatte, verließ sie das System. Sie überlegte kurz, den Kollegen noch eine Gehaltserhöhung zu verpassen, aber es wäre albern, so etwas Angeberisches zu tun.
Mia zog sich die Schuhe an, griff nach ihrer Jacke und lief zur Tür, ohne noch einen Blick in den Spiegel zu werfen. Sie rannte die Treppe hinunter, wobei sie zwei Stufen auf einmal nahm, und stieg dann hastig ins Auto. Es kam ihr vor, als wäre es Ewigkeiten her, dass sie ihn gesehen hatte.
»Sind Sie ganz sicher?«, fragte Søren mit belegter Stimme.
Er nahm seine Umgebung nicht mehr wahr. Statt in diesem elegant eingerichteten Büro hätte er ebenso gut in einer Felshöhle sitzen können. Er hielt sich an der Sesselkante fest, um nicht den Bezug zur Wirklichkeit zu verlieren.
Der Arzt lächelte ihn beruhigend an, doch das ließ ihn kalt. »Mr Winter, vier Spezialisten haben Ihre Tochter in den letzten zwei Tagen untersucht. Ich sage so etwas in den seltensten Fällen, aber es gibt keinerlei Hoffnung. Sie zeigt keine höheren Hirnfunktionen mehr. Ich verstehe, dass es schwer ist loszulassen, aber ich kann Ihnen kein Wunder versprechen.«
»Sie empfehlen also, die lebenserhaltenden Maßnahmen einzustellen.« Das taten sie immer. Es fiel ihnen ganz leicht, darüber zu sprechen.
»Aus den Unterlagen geht hervor, dass Sie diesen Rat nicht zum ersten Mal hören«, sagte Dr. Geddy. Sein Tonfall war völlig wertfrei. Für einen Arzt bewies er sehr viel Mitgefühl.
»Ja. Aber ich ziehe zum ersten Mal tatsächlich in Erwägung, ihn zu befolgen.«
»Es ist eine schwere Entscheidung. Sie sollten das mit Ihrer Familie besprechen und sich vergewissern, dass alle einverstanden sind. Wenn einer allein diese Entscheidung trifft, führt das manchmal zu einem Zerwürfnis.«
»Es gibt nur mich. Und meine Mutter« fügte er hinzu, eher der Arzt, der leicht die Stirn gerunzelt hatte, nachfragen konnte.
»Dann sollten Sie mit ihr sprechen. In solchen Dingen besitzen ältere Menschen oft eine erstaunliche Lebensweisheit, und Ihre Mutter hat einen wachen Verstand.« Dr. Geddys Lächeln zeugte von echter Zuneigung. Im Gegensatz zu vielen anderen Pflegeeinrichtungen schien das Personal in diesem Heim wirklich Anteil am Schicksal der Patienten zu nehmen.
Søren hatte vor, Beulah hierzulassen, wenn er das nächste Mal umziehen würde. In Whispering Pines war sie in Sicherheit und konnte in Frieden leben.
»Allerdings.« Als er daran dachte, wie sie all die Jahre über mitgespielt hatte, ohne sich etwas anmerken zu lassen, musste er fast lächeln. Doch dann fiel ihm ein, was er verloren hatte – und welcher Verlust ihm noch bevorstand. »Dann gehe ich jetzt zu ihr.«
»Gut. Falls Sie mich brauchen, ich werde noch zwei Stunden hier sein. Lassen Sie mich wissen, wie Sie sich entschieden haben.«
Mia brauchte nur zwanzig Minuten bis zu seinem Haus, und sie war froh, dass sie unterwegs nicht von der Polizei angehalten wurde, denn sie saß mit zitternden Händen am Steuer. Was die Ordnungshüter wohl dazu gesagt hätten – oder wie sie sich gerechtfertigt hätte?
Ihr Verhältnis mit Søren hatte vielleicht nur auf Stress beruht, und jetzt, da keine Gefahr mehr bestand, wollte er sie nicht mehr. Nach den letzten paar Tagen war sie zu dem Schluss gekommen, dass Micor sie nicht verfolgen würde, und sie rechnete nicht länger mit einem Killer.
Als sie auf den Parkplatz einbog und der Infiniti nicht dastand, nahm ihr das beinahe jede Kraft. Doch nun war sie schon so weit gekommen und würde nicht vorschnell aufgeben. Sie stieg aus, ging zur Haustür und klingelte Sturm. Während sie wartete, wippte sie ungeduldig auf den Zehen.
Ein Fremder machte auf und sah sie ein wenig erstaunt an. »Kann ich Ihnen helfen, Miss?«
»Entschuldigen Sie, ich dachte …«, begann sie verdattert. »Ich wollte zu dem Mann, der vorher hier gewohnt hat.«
Ihr Gegenüber
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