Skin Game 02 - Verhängnisvoller Verrat
dem äußeren Anschein nach vollständig erholt. Kognitive Fähigkeiten sind wiederhergestellt; Stimmungsschwankungen stabilisiert. Augen klar; Haut ohne Läsionen. Muskelmasse hat um 15 Prozent zugenommen. Die Versuchsperson ist ungefähr dreißig Jahre alt und wurde vor vier Jahren in Minneapolis wieder aufgefunden. Teilnahme am Pine-Grove-Programm brachte unbefriedigende Ergebnisse, darum habe ich mit einer neuen Behandlung begonnen. Details dazu werden an anderer Stelle ausgeführt.
Er drückte auf den Schalter der Gegensprechanlage. »Sind Sie so weit?«
»Verpiss dich.«
Die Feindseligkeit war neu, eine beunruhigende Entwicklung. Bislang hatte sich der Proband immer nur verzweifelt gezeigt. »Wir können das auf die leichte oder auf die harte Tour machen. Ich gebe Ihnen noch eine Chance.«
T-89 stand auf, kam an die Spiegelglasscheibe, durch die man von außen in die Zelle sehen konnte, und zeigte Rowan den ausgestreckten Mittelfinger. »Ich sagte, verpiss dich. Oder verstehst du kein Englisch, du Arschloch?«
»Diese Bockigkeit nützt niemandem«, erwiderte Rowan in sachlichem Tonfall. »Sie werden deswegen nur leiden.«
»Das glaube ich nicht. Schließlich soll ich meine Tricks für euch vollführen. Du musst dokumentieren, was ich kann. Also kommen Foltermethoden, bei denen ich einen dauerhaften Schaden davontrage, nicht infrage. Und umbringen wirst du mich erst recht nicht. Wie ich höre, behandelst du dein Wundermädchen wie eine Königin. Komm schon, mach mir nur weiter das Leben zur Hölle, na los.«
»Wer hat mit Ihnen gesprochen?«, wollte Rowan wissen.
Noch dazu über Gillie. Das Pflegepersonal hatte die strikte Anweisung, sich nicht mit den Probanden zu unterhalten. Reden führte dazu, dass man sich miteinander verbunden fühlte, und wo das hinführte, war nicht abzusehen. Womöglich hätte Rowan dann bald eine Meuterei am Hals. Das konnte er nicht zulassen, dafür stand zu viel auf dem Spiel.
T-89 grinste ihn höhnisch an. »Das wüsstest du wohl gern, hm?«
Rowan presste die Zähne zusammen und sagte sich selbst, dass Ärger eine vollkommen sinnlose Emotion war. »Also gut.« Er ließ die Versuchsperson zuhören, während er der Pflegerin seine Anweisung gab. »T-89 bekommt kein Essen, bis er sich entscheidet zu kooperieren. Ist das klar?«
»Vollkommen, Dr. Rowan«, antwortete die Frau. »Ich vermerke das in seiner Krankenakte.«
Der Proband reagierte darauf mit Hohn. »Glaubst du wirklich, mich hungern zu lassen, würde nach all dem noch etwas bringen? Sieh’s ein, Doc. Du wirst mir schon einen Anreiz bieten müssen.«
»Wir werden sehen, wie Sie sich fühlen, wenn Sie erst ein paar Tage gefastet haben«, erwiderte Rowan. »Sie werden schon noch begreifen, dass es völlig sinnlos ist, sich so starrsinnig zu verhalten.«
»Du raffst es nicht, oder?«
»Was?«
»Ich sage jetzt, wo’s lang geht. Schließlich willst du etwas von mir. Also überleg dir lieber schon mal, wie du mich auf positive Weise motivieren kannst, sonst werde ich möglicherweise gar nicht mehr bei deinem beschissenen Versuchsprogramm mitmachen. Vielleicht will ich ja sogar, dass ihr aufhört, mir zu essen zu geben. Vielleicht will ich ja verhungern, weil ich weiß, dass ich hier nur tot wieder rauskomme.« T-89 drückte die Handflächen gegen den Spiegel. Es schien fast so, als sähe er ganz genau, wo Rowan stand. »Du kannst es dir nicht leisten, mich zu verlieren, Doc. Bisher hat dein Labor außer dem Wundermädchen nichts zustande gebracht, und du weißt ja, wie das in der freien Wirtschaft so läuft.«
Die Gedankengänge seines Probanden gefielen Rowan überhaupt nicht. Allerdings hatte T-89 in mehreren Punkten recht. Das würde extrem lästig werden. Aber gut, es sollte ihm nicht schwerfallen, sich rational zu verhalten.
»Ich verstehe. Was wollen Sie von mir?«
»Ich will Freigang. Ich weigere mich, mein Leben wie ein Affe in einem Käfig zu verbringen, ganz abgesehen davon, was Sie mir sonst noch alles angetan haben. Und noch etwas.«
Rowan wünschte, er könnte einfach mit der richtigen Kombination aus Medikamenten dafür sorgen, dass sich der Proband kooperativ verhielt. Doch wie er bereits festgestellt hatte, schalteten starke Sedativa die Fähigkeiten von T-89 aus. In betäubtem Zustand konnten keine Experimente mit dem Probanden durchgeführt werden, somit wäre er also wertlos, nur ein weiteres hungriges Maul, das es zu stopfen galt.
»Was wollen Sie noch?«, fragte Rowan betont geduldig.
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