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Skinwalker 01. Feindesland

Skinwalker 01. Feindesland

Titel: Skinwalker 01. Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faith Hunter
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vielleicht sogar vervierfacht hatte, über das Sankt in St. Martin stolperte ich immer noch.
    Nachdem alle Clan-Oberhäupter ihr Sprüchlein aufgesagt und Blut gespendet hatten, durfte das niedere Volk an den Sarg treten. Wieder ein Clan nach dem anderen, soweit ich erkennen konnte, doch mit weit weniger Pathos und ohne theatralische Gesten. Mittlerweile musste Katie in Blut schwimmen. Bäh. Ich blickte hoch zum Mond. Der kollektive Aderlass dauerte nun schon zwei Stunden. Da beendete Sabina ihn mit einigen Worten auf Französisch oder Latein, vielleicht war es auch Mandarin – jedenfalls in einer Sprache, die ich nicht verstand.
    Schulter an Schulter stellten sich die Vampire um den geöffneten Sarg. Und dann begannen sie zu summen, eine fließende Melodie, die sich anhörte wie ein Klagelied ohne Worte. Nach ein paar Takten stimmte die Priesterin einen Gesang an, und die anderen verstummten. »Elî elî lamâ švaqtanî .«
    Ich erschrak und neigte mich vor, den Hals gereckt. Beinahe wäre ich von meinem Ast gefallen. Ich schlug mit den Flügeln und tänzelte zurück. Meine Klauen kratzten auf der losen Rinde. »Elî elî lamâ švaqtanî « , intonierte sie weiter. Und die ganze Versammlung antwortete ihr in Moll: »Elî elî lamâ švaqtanî. Elî elî lamâ švaqtanî .« Ich starrte sie an. Mir wurde kalt, als mir einfiel, woher ich die Worte kannte. Dieser Satz war das Letzte, was ich von einem Haufen Vampire zu hören erwartet hätte. Und sie gingen nicht einmal in Flammen auf. Um mich aufzuwärmen, plusterte ich ängstlich gurrend meine Federn auf.
    Seit ich zwölf Jahre alt war, bis zu dem Zeitpunkt, als ich das christliche Kinderheim verließ, hatte ich diese Worte zu jedem Osterfest im Passionsspiel gehört. Es waren die letzten Worte, die Jesus am Kreuz sprach, Aramäisch für: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen ?«
    Die Vampire verstummten.
    Ich blieb auf meinem Baum sitzen, während die Vamps Katies Sarg in eine leere Nische im Mausoleum des Pellissier-Clans schoben. Erst kratzte Metall schrill über Stein, dann, als der Sarg niedergelassen wurde, echote ein dumpfer Schlag über das Gelände. Als sich die Tür der Gruft schloss und das Eisengitter verriegelt war, schienen sie alle gleichzeitig durchzuatmen, als würden sie aus einer tiefen Trance erwachen. Offensichtlich war das Ritual beendet.
    Einige der Vamps versammelten sich in kleinen Grüppchen, um zu plaudern oder Komplotte zu schmieden oder was immer Vamps auf der Beerdigung einer Untoten taten. Doch seltsamerweise redeten sie über den Aktienmarkt und die neusten Unruhen im Mittleren Osten, ganz wie zivilisierte Menschen. Es war beinahe so verwirrend, wie, sie Jesus zitieren zu hören. Dann rief einer nach dem anderen per Handy seinen Fahrer, und die Prozession aus Limousinen und teuren Autos begann von Neuem. Wer zuerst gekommen war, ging auch zuerst. Wieder ein Weitpinkelwettbewerb.
    Als alle Vamps davongefahren waren, konnte ich es kaum erwarten, in meinen Garten zurückzufliegen und mich in etwas zu wandeln, was Arme hatte. Aber Sabina stand immer noch da, den Kopf tief gesenkt. Ihr weißer Rock flatterte im Wind. Sie sprach mit einem Akzent, den ich nicht erkannte, und ohne die Stimme zu heben. »Es ist lange her, dass ich den Ruf des Bubo bubo hörte « , sagte sie. Dann blickte sie hoch zu mir in den Baum. Hell leuchtete ihr Gesicht im schwachen Mondlicht. »Ich weiß nicht, ob du real bist oder eine Prophezeiung oder nur das Produkt der Einbildung einer alten, alten Sünderin .« Langsam schüttelte sie den Kopf. Ihre Raubtieraugen ruhten auf mir. Obwohl ich ein Raubvogel war und nur vor wenig Angst hatte, hätte ich mich am liebsten in die Lüfte erhoben und das Weite gesucht. Meine Flugfedern zitterten, und meine Krallen tanzten auf dem Ast. »Wenn du eine Prophezeiung bist, wenn du der Odem Gottes auf meiner befleckten und dunklen Seele bist, dann höre mich an und nimm meine Worte mit zurück ins Paradies. Wir suchen immer noch Vergebung. Wir streben immer noch nach Absolution .«
    Als ich mich nicht rührte, neigte sie den Kopf und ging zu der Kapelle, die keine war, so anmutig, dass ihr Rock kaum hin und her schwang. Sie schloss und verriegelte die Tür. Ich sah zu, wie sie alle Flammen bis auf eine einzige löschte. Stille senkte sich über den Friedhof. Ich hob die Flügel und segelte tief über den Boden, auf der Suche nach einem Luftstrom, der mich in die Höhe trug.
    Ich zog eine Schleife über die

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