Skinwalker 01. Feindesland
menschlichen Blutdiener – würde Gefängnis bedeuten, falls ich nicht beweisen konnte, dass ich in Notwehr gehandelt hatte. Mein Vertrag deckte ausschließlich das versehentliche oder absichtliche Töten von Vamps ab, die dem Rogue halfen. Beim Gehen tastete ich nach den Vampkillern in den Futteralen und rückte die Pflöcke zurecht. Dann zückte ich ein Kreuz, eins aus Holz mit Silberintarsien. Als ich auf der breiten Veranda stand, klingelte ich. Es geht doch nichts über eine offensive Taktik.
Ich hörte Schritte von drinnen, dicht hintereinander, unsicher, wie von einem sehr alten menschlichen Diener. Wo zum Teufel waren die Zwillinge? Mir fiel der Schädel in dem unterirdischen Nest ein. Zumindest einen Blutdiener hatte der Leberfresser verspeist. Vielleicht mehr? Mir wurde übel. Ich mochte die Zwillinge.
Als die Schritte stehen blieben, ging ich ein kleines Stück zurück und trat gegen die Tür, kurz über dem Riegel. Der hielt zwar, doch das trockene Holz drum herum splitterte laut und grell. Die Dienerin kreischte. Ein Alarm ging an. Und verstummte sofort wieder. Kalte Luft schlug mir entgegen und kühlte mein Gesicht, eine Wohltat. Aber die Dienerin schrie immer noch.
Als ich mich der Frau zuwandte, duckte sie sich jammernd. Sie sah aus, als wäre sie hundert Jahre alt, das Gesicht verhärmt und faltig, die Haut hing ihr wie eine Girlande vom Kiefer. »Ich bin nicht Ihretwegen hier « , sagte ich. Das Schreien wurde nicht leiser. Sie hob eine Hand. Darin war eine Derringer.
Schnell schlug ich ihr mit dem Kreuz die kleine Waffe aus der Hand. Metall klirrte hart auf Metall. Noch bevor die Pistole auf den Boden aufschlug, packte ich die Frau an der Schulter, schüttelte sie und zerrte sie, ihr das Kreuz vors Gesicht haltend, vor das Wandgemälde. Dies lief nicht wie geplant. »Still « , stieß ich hervor.
Sie verstummte, den Blick auf das Kreuz gerichtet. Ich zeigte auf einen Mann in dem Gemälde. »Wer ist das ?« Als sie ein verwirrtes Gesicht machte, fragte ich noch einmal, mit dem Finger auf den blonden Mann deutend, der aussah, als wäre er mit fünfzehn Jahren gewandelt worden: »Wer ist das ?«
»Grégoire. Der Blutmeister des Arceneau-Clans .« Ihre Stimme bebte.
»Wo ist sein Nest ?« , knurrte ich. Beast lugte durch meine Augen.
»Nein .« Sie straffte die Schultern und hob das Kinn. »Niemals .« Mir kam der Gedanke, dass sie in den Augen ihrer Chefs viel Schlimmeres gesehen hatte als einen Berglöwen.
Bevor ich etwas erwidern konnte, hörte ich jemanden von der Treppe her fragen: »Correen ?« Die Stimme war kratzig, geschlechtslos. Beast fuhr jäh in meine Glieder. Nach den Amuletten tastend, rannte ich durch die Eingangshalle und die Treppe hinauf in den ersten Stock.
»Correen ?« Die Stimme klang schwach. Ängstlich. Dominique, die blonde Vampirin, die mir befohlen hatte, bei ihr vorzusprechen, torkelte aus einem Schlafzimmer. Ein weißes Nachthemd flatterte um ihre Knöchel. Metallarmbänder klirrten bei jeder Bewegung. Das Kreuz in meiner Hand leuchtete gleißend auf. Dominique duckte sich und fauchte. Ihre Reißzähne schossen hervor. Ich rannte auf sie zu. Hastig wich sie zurück, trat falsch auf und fiel zu Boden. Ihr Handgelenk knackte laut, als sie versuchte, sich abzustützen. Sie verzog das Gesicht zu einer Schmerzgrimasse und wandte den Blick von dem Kreuz ab, die Hand schützend gehoben. »Nein « , flehte sie. »Nehmen Sie das weg. Bitte .«
»Noch nicht. Wo ist er? Wo ist der Rogue ?«
Sie drückte das gebrochene Gelenk an sich, die Hand stand in einem seltsamen Winkel ab. »Nein. Das kann isch Ihnen nischt sagen .«
»Ihnen bleibt keine Wahl « , sagte ich und atmete ein. »Ich kann ihn riechen. Er war hier. Der Vampirrat hat mich befugt, Sie zu töten, wenn Sie ihm Zuflucht gewähren .« Knurrend schob Beast sich weiter vor.
»Ihm Zuflucht gewähren ?« Sie lachte auf, ein jämmerlicher Gurgellaut, hysterisch und mutlos zugleich. Voller … Verzweiflung? Konnten Vamps Verzweiflung empfinden? Dominique drehte mir das Gesicht zu. Wässrig-blutige Tränen rannen über ihre Wangen. Sie war so bleich, dass ihre Haut durchsichtig wirkte. »Isch ’abe ihm keine Zuflucht gewährt. Keiner von uns ’at das. Wir sind seine Gefangenen « , fauchte sie. »Sie ’ätten kommen sollen, als isch Sie darum bat .«
Sie hielt einen Fuß hoch. Um den Knöchel lag eine Kette. Die Haut darunter war rot und geschwollen und voller kleiner Pusteln, aus denen wässriges Blut trat,
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