Skinwalker: Fluch des Blutes (German Edition)
hinter ihm, in der Hoffnung, dass der Abstand reichte, um noch zu reagieren, falls er doch wieder angreifen sollte.
Dieser Vamp war der Schlüssel, um zu verstehen, was hinter den Entführungen steckte. Um Angelina und Little Evan zu finden. Dieser Vamp war in der Lage zu sprechen. Hoffnung stieg in mir auf, doch ich rang sie nieder, so wie eben die Angst.
Es sah aus, als würden wir es tatsächlich schaffen. Durch die Bäume konnte ich schon die Kapelle sehen, die weiß im Licht des aufgehenden Mondes schimmerte. Als er zwischen zwei Bäume trat, wurde LeShawn langsamer. Seine scharfen, fünf Zentimeter langen Krallen waren ausgefahren. Als er sich an einem toten Baum abstützte, bohrten sie sich mit leisem Knacken in das trockene weiße Holz. Mit einem Arm umfasste er seinen Bauch. Meine Kreuze begannen erneut zu glühen, so hell, dass ich blinzeln musste.
Er atmete heftig. Der Gestank von totem Gewebe lag in der Nachtluft. Ich kämpfte gegen den Kampf-oder-Flucht-Impuls meines Körpers an und sagte mit ruhiger Stimme: »LeShawn? Behalt jetzt die Nerven, Mann. Geh weiter.«
Er drehte sich um, sodass ich sein Gesicht im Profil sah, und ließ den Kopf sinken. »Kann nicht. Ich schaffe es nicht … « Die Hand an dem Baum ballte sich zur Faust. Die Krallen schnitten in seine Handfläche. Ich roch getrockneten Salbei – den Geruch von Vampblut. Noch durchdringender als den Gestank des Todes. Er streckte die Hand aus, sah das Blut und führte sie zum Mund. Und stieß seine Zähne hinein. Saugte.
»LeShawn?« Ich machte einen Schritt auf ihn zu.
»Hu … « Er schauderte. Sank zurück gegen den Baum, das Gesicht mir zugewandt, die Hand im Mund. Saugte heftig an seinem eigenen zerbissenen Fleisch. Er schluchzte frustriert. »So … so hungrig. Hu … Huuuu … « Von einem Moment auf den anderen sprang er auf mich zu, Blutgier und Wahnsinn im Blick. Der Wahnsinn eines Rogues. Die Zeit machte einen kleinen Satz, und er schien langsamer zu werden, hing in der Luft. Knurrend. Ich hob den Pflock, schätzte seine Flugkurve ab. Und er fiel. Auf mich. Auf die Spitze des Pflocks.
Ich sah zu, wie sie erst sein Hemd, dann sein T-Shirt durchbohrte. Und begriff, noch während ich spürte, wie die Silberspitze zwischen seine Rippen glitt, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Er prallte gegen mich, und seine Krallen schlossen sich reflexartig um meine Oberarme. Die Zeit ruckelte und lief wieder schneller.
»Nein!« Die Wucht des Stoßes warf mich zu Boden, LeShawn landete auf mir. Schock in seinem Gesicht. Ich riss an dem Pflock, wollte ihn herausziehen – zu spät. Seine Augen wurden wieder menschlich. Unsere Körper machten einen kleinen Satz, den ich nutzte, um mich unter ihm wegzurollen. Gleichzeitig zog ich an dem Pflock. Er blieb an einer Rippe stecken. Doch jetzt hatten wir nicht mehr den richtigen Winkel zueinander, es gelang mir nicht, ihn herauszuziehen. Wieder verlangsamte sich die Zeit, das Geschehen wurde zu kurzen Bildern, die in der Nacht aufblitzten.
Ich drehte an dem Pflock, doch er steckte in seinem Sternum fest, zwischen den Rippen und der harten Knochenplatte in der Mitte seiner Brust. Seine Krallen streiften über das Metall in meinen Jackenärmeln. Leises Klicken. Die Bewegung schleuderte ihn zur Seite. Hinunter. Hart. Er landete auf dem Bauch. Ein Widerstand, nur kurz, dann drückte sich der Pflock in sein Herz. Eine leichte Druckminderung, als er in die Herzkammer eindrang. Und weiter, vollständig hindurch, um auf der anderen Seite wieder herauszutreten wie durch Gummi.
Die scharfe Silberspitze schob sich durch sein Hemd am Rücken. Ätzendes Vampblut spritzte in einer dünnen Fontäne hervor, kleine Tropfen landeten auf meinem Gesicht. Der Vamp seufzte. Starb. Entsetzen durchfuhr mich. »Nein. Nein!«
Ich hockte auf Händen und Knien und fluchte. Das ätzende Vampblut im Gesicht, spuckte ich die Worte förmlich zu Boden. Weinte Tränen der Wut und der Enttäuschung. Dann richtete ich mich auf und setzte mich neben LeShawn auf das Kiefernnadelbett und legte ihm die Hand auf den Leib. Obwohl ich wusste, dass ich gerade die vielversprechendste Verbindung zu den Entführern der Hexen und zu dem Schöpfer der jungen Rogues verloren hatte, durchströmten mich die Endorphine des Sieges. Für einen Moment erlebte ich einen Gefühlstaumel, der berauschender war als Alkohol, erregender als Sex. Ich hatte überlebt. Ich hatte verloren. »Oh … nein«, flüsterte ich. Der Schock der Erkenntnis traf mich mit
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