Skinwalker: Fluch des Blutes (German Edition)
typische Schnelligkeit, Anmut und Stärke würden sich erst nach ihrem ersten Blutmahl entwickeln, wenn sie ein Opfer gefunden und es ausgesaugt hatte. Oder besser gesagt, sie hätten sich entwickelt, wenn ich sie nicht gefunden hätte und es nun verhindern würde.
Andererseits war dies mein erster frischer Vamp. Vielleicht war das, was man sich in der kleinen Gemeinde der Vampjäger erzählte, reine Legende. Vielleicht brauchte die Vampirin, die mir auf den Fersen war, kein Blut, um ihre besonderen Gaben zu nutzen und sich schneller zu bewegen als ich.
Auf einer kleinen, von Sturmresten übersäten Lichtung fand ich einen großen umgestürzten Baum. Die Wurzeln ragten drei Meter in die Luft, die Äste zeigten auf einer Seite gen Himmel, auf der anderen waren sie durch den Wind auf den Boden gedrückt. Ich sprang auf den Stamm und ging ihn entlang bis zum ersten Ast. Darauf kauerte ich mich, packte meine Waffen fester, hob sie an und wartete. Beast wurde ganz ruhig.
Die Vampirin war nicht weit hinter mir, die Nachtluft trug mir ihre Witterung zu. Ihre Schritte waren unsicher und knackten laut im Unterholz. Sie machte nicht den Eindruck, als hätte sie schon das Sehvermögen eines Vamps. Möglicherweise kam auch das erst nach dem ersten Blutmahl. Vielleicht dauerte es auch länger, keine Ahnung.
Mist. Heute Nacht fühlte ich mich einem solchen Kampf nicht gewachsen, ganz und gar nicht. Aber wenigstens hatte sich mit dem Laufen und der Planung des Hinterhalts meine Angst gelegt. Jetzt sah ich sie. Sie folgte meiner Fährte.
Am Rand der Lichtung blieb sie stehen, die Nüstern gebläht, der Blick starr und wild, die Augen mit diesem für Rogues typischen dumpfen Glühen. Ihre weiße Haut schimmerte fast in der Dunkelheit. Sie blickte nicht hoch in die Äste, sondern auf den Boden, schnüffelte laut und sog Luft durch die verstopften Nasennebenhöhlen. Jämmerlich quäkend wischte sie sich über das Gesicht und verschmierte den Schmutz, sodass es aussah, als hätte sie eine Tarnbemalung aufgelegt. Über die jetzt Tränen liefen. Sie weinte.
Mein Herz krampfte sich zusammen. Es war dumm, eine Tote ohne Verstand zu bemitleiden, doch in gewisser Weise fühlte ich mit ihr. Ich erinnerte mich daran, wie es war, keine Erinnerungen mehr zu haben, verloren und einsam zu sein, in einem Körper gefangen, den ich nicht erkannte, allein unter Menschen. Natürlich war ich noch am Leben gewesen. Ich unterdrückte ein Seufzen, aber der Vamp musste dennoch etwas gehört haben. Ihr Blick zuckte hoch, in die Äste hinein. Sie zischte. Und rannte auf mich zu.
Statt wie ich den Weg über den Stamm zu nehmen, zwängte sie sich durch die Äste direkt unter mir, vor Hunger schnaufend. Ihr übler Geruch stieg zu mir hoch. Fast träge ließ ich mich aus der Baumkrone fallen und landete hinter ihr, den Vampkiller erhoben, den Pflock bereit.
Knurrend fuhr sie herum und griff nach mir. Ich trat zwischen ihre faulig stinkenden Arme und setzte den Pflock an der Brust an. Mit weit aufgerissenem Kiefer stürzte sie sich in die Spitze. Ich rammte ihn tief hinein. Die Jungen zu töten war so einfach. Zu einfach. Die Vampirin hielt inne, wie erstarrt, die Augen im Dunkeln auf meine gerichtet. Menschlichkeit sickerte zurück in ihren Blick, der auf einmal verwirrt und ängstlich wurde. »Nein«, flüsterte sie mit ihrem letzten Atemhauch. »Nein … « Sie sackte in sich zusammen und landete mit gespreizten Beinen zwischen zwei Ästen zu meinen Füßen.
Ich kniete mich neben sie, zückte eine Minitaschenlampe und leuchtete ihr ins Gesicht. Unter dem Schmutz, dem Rotz, den Tränen und dem getrockneten Blut war sie hübsch oder war es gewesen. Lockiges braunes Haar, grünlich-braune Augen, kleine, nadeldünne Vampireckzähne, Reste von Make-up auf sehr weißer Haut. Sie suchen sich immer die Schönen aus. Ich habe noch nie einen hässlichen Vamp gesehen. Genau wie Pädophile mögen sie sie jung, bezaubernd und hübsch.
Ich legte die Taschenlampe so auf einen Ast, dass der Strahl auf das Mädchen fiel, steckte den Vampkiller ein und zog eine Kamera heraus. Dann schoss ich Fotos aus mehreren Winkeln, inklusive einer Nahaufnahme von ihrem Gesicht, auf der ihre kleinen Fangzähne zu sehen waren, und noch eine von dem Pflock in ihrem Herzen. Fotos waren gut, aber ich brauchte mehr. Pflöcken hatte ich noch nie getraut. Die Legende sagt, dass ein Pflock durch das Herz tödlich sei, es sei denn, der Schöpfer befindet sich in der Nähe. Denn falls er
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